Eine Streichholzschachtelbombe
(75 Jahre nach dem Kriegsende)
Im letzten Beitrag von mir erwähnte ich die Verhörunterlage, die vom Informationsdienst der US-Marine erstellt wurde. Darin berichtete ein japanischer gefangener Technikoffizier über die deutsch-japanische Zusammenarbeit für die Atombombenentwicklung. Seine Aussage war wie folgt.
Im November 1944 habe ich von einem Offizier gehört, dass Japan 1944 mehrmals die Blaupausen seines V-12 Dieselmotors des mittelgroßen Panzers vom Typ 97 (HAKE) gegen den Aufbau der deutschen Atombombe getauscht hatte. Die Bomben waren so groß wie eine Streichholzschachtel und hatten einen effektiven Radius von 1000 Metern. Ich weiß nicht, ob die Bomben durch Japaner gebaut wurden, und wofür die Bomben eingesetzt werden sollten. Die Bomben wurden jedenfalls nicht auf den Philippinen verwendet.
Der Panzer Typ 97 hieß nicht HAKE, sondern CHIHA, aber er kam tatsächlich 1942 auf den Philippinen zum ersten Mal auf dem Schlachtfeld zum Einsatz. Der Aussage des gefangenen Offiziers zufolge hätte Japan vielleicht Mini-Atombomben für den Panzer einsetzen wollen, aber der Beweis liegt nicht vor. Ich kann nicht gut feststellen, warum die Blaupausen des Dieselmotors für den Einsatz von Atombomben ausgetauscht werden sollten. Den Zusammenhang kann ich nicht verstehen, weil ich dafür keine technischen Kenntnisse habe.
In Japan kursierten Gerüchte über Atombomben in der Größe einer Streichholzschachtel. Oft wurde dabei erwähnt, dass sich 1944 der Oberhausabgeordnete TANAKADATE Aikitsu über eine Streichholzschachtelbombe als Atombombe geäußert hatte und die Entwicklung von kleinen Atombomben verlangt hatte. Er war früher Professor für Geophysik an der Universität Tokio gewesen.
Tatsächlich äußerte sich Tanakadate während des Krieges nie darüber, sondern es gab 1944 darüber nur zwei Artikel in der überregionalen Tageszeitung Asahi Shinbun vom 29.03.1944 und vom 9.7.1944. Der Journalist soll für seine Recherche im staatlichen Institut Riken gewesen sein, in dem man im Auftrag des japanischen Heeres unter der Leitung von NISHINA Yoshio Atombombenforschung betrieb.
Im Artikel vom 29.03.1944 wurde auch der Aufruf des Oberleutnants SATAKE Kinji zitiert, unter Nutzung der Atomenergie neuartige Bomben zu entwickeln. Satake war damals der führende Spezialist für die Radarentwicklung in Japan. Der Artikel berichtete außerdem darüber, dass man in Deutschland die Kernspaltung entdeckte und mit einer Uranbombe in der Größe einer Streichholzschachtel die ganze Stadt London völlig zerstören kann.
Für Japan schien klar, dass Nazi-Deutschland Atombomben in der Größe einer Streichholzschachtel entwickelt. Die Deutschen sollten sogar bereits Miniatombomben erfolgreich entwickelt haben.
Aber dieser Feststellung widerspricht der Historiker und Autor des Buches „Hitlers Bombe“ Rainer Karlsch. Seiner Ansicht nach ist unklar, ob mit der Bombe in der Größe einer Streichholzschachtel tatsächlich eine Atombombe gemeint ist. Ich zitiere unten seine Aussage:
Auch Albert Speer sprach einmal von einer Minibombe im Format einer Streichholzschachtel, die ganz NY zerstören könne. Wir wissen zu wenig, über die Details dieser Minibombe.
Möglicherweise handelte es sich um einen neuen Supersprengstoff, der hundertfach stärker gewesen sein soll, als alle bekannten Sprengstoffe. Solch ein Supersprengstoff wurde während des Krieges erprobt, aber nicht an der Front eingesetzt.
Die Siegermächte suchten intensiv danach, fanden die Formel aber nicht. Ein SS-Offizier, der die Tests miterlebt hatte, weigerte sich trotz 20jähriger Gefangenschaft und Folter, das Geheimnis preiszugeben.
Wenn die Minibombe keine Atombombe gewesen sein sollte, dann könnte das Missverständnis in Japan dazu geführt haben, dort eine Streichholzschachtelatombombe zu entwickeln. Ob es Japanern gelungen ist, ist nicht klar. Ein Beweis und Anzeichen dafür sind in Japan noch nicht zu finden.
Ich habe in meinem letzten Beitrag über die geheime Mission mit einem deutschen U-Boot berichtet, spaltbares Yellowcake nach Japan zu transportieren. Wofür war das eigentlich bestimmt? War das für eine Streichholzschachtelatombombe bestimmt, oder nicht? Das weiss noch niemand.
(FUKUMOTO Masao)
Literatur:
・Division of Navy Intelligence: German Technical Aid to Japan, A Servay, June 15 1945
・Keiko Nagase-Reimer: Forschungen zur Nutzung der Kernenergie in Japan, 1938 – 1945. Marburger Japan-Reihe Band 30, Förderverein Marburger Japan-Reihe, Marburg 2002
・Rainer Karlsch: Eine eMail vom 05.05.2020 an mich
・深井佑造:『「マッチ箱1個」の噂を検証する(前編)』昭和史を語り継ぐ会 昭和史講座第9号 2003年2月
・FUKUMOTO Masao: Eine Geschichte der deutsch-japanischen Zusammenarbeit für die Atombombenentwicklung. Strahlentelex für Fukushima, April 2020. http://strahlentelex-fukushima.de/blog/fukushima-04-2020/
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