Die angeborenen Herzfehler haben zugenommen

(Folgen von Fukushima)

Zunahme der angeborenen Fehlbildungen nach der Tschernobyl-Katastroph

In der Ausgabe des Strahlentelex März 2014 haben Hagen Scherb und Kristina Voigt ihre Analysen über die Fehlbildungen in Bayern vor und nach der Tschernobyl-Katastrophe updatet[1]. Dabei wurden die Fehlbildungen nach radioaktivem Fallout stratifiziert, wodurch die Dosis-Wirkungs-Beziehung nachgewiesen wurde.

In Bayern wurden nach den Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) unter knapp 100.000 Lebendgeburten von 1984 bis 1993 ca. 30.000 Fälle mit verschiedenen angeborenen Fehlbildungen registriert. Im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen wurden die angeborenen Fehlbildungen von 1984 bis 1991 in Bayern erhoben.

Die Gruppe mit Hagen Scherb hatte bereits Ende der 1990er Jahre die Daten mit angeborenen Fehlbildungen nach der Tschernobyl-Katastrophe untersucht und eine starke Zunahme der Herzfehlbildungen wie Vorhofseptum- und Ventrikelseptumdefekt in den radioaktiv belasteten Landkreisen festgestellt[2].

Das war für mich der Anlass, auch nach der Fukushima-Katastrophe auf angeborene Fehlbildungen zu achten.

Unzureichende Registrierung von angeborenen Fehlbildungen in Japa

Ich habe zuerst recherchiert, ob und wie angeborene Fehlbildungen in Japan erhoben werden.

Dabei bin ich sofort auf das Monitoringzentrum für angeborene Fehlbildungen an der Stadtuniversität Yokohama[3] gestoßen. Dort wird im Rahmen des internationalen Netzwerks ICBDSR (International Clearinghouse for Birth Defects Surveillance and Research) das Monitoring von angeborenen Fehlbildungen in Japan durchgeführt. Dem Zentrum werden insgesamt von ca. 300 Entbindungskliniken die Daten zur Verfügung gestellt. Die Entbindungskliniken sind japanweit verbreitet, und die Anzahl der die Daten liefernden Kliniken ist je nach der Bevölkerungszahl pro Präfektur festgelegt.

Damit soll garantiert werden, dass 10 % der angeborenen Fehlbildungen erfasst werden können. Das Monitoringzentrum behauptet, dass das Ergebnis der Erhebung somit repräsentativ ist. Für die statistische Analyse sind die Daten leider nicht ausreichend.

Es muss aber für die Präfektur Fukushima ausreichende Daten geben.

Gleich nach der Atomkatastrophe von Fukushima wurde die Zahl der Entbindungskliniken in der Präfektur Fukushima, die die Daten über die angeborenen Fehlbildungen liefern sollen, plötzlich auf 38 erhöht. Aus den anderen ost-nördlich liegenden Präfekturen in Japan wie z.B. Miyagi, Aomori, Yamagata liefern nur 5 bis 6 Kliniken Daten.

Die Zahl von 38 ist verhältnismäßig zu groß, wenn man sieht, dass die Einwohnerzahl der Präfektur Fukushima weniger als 2,0 Millionen beträgt und die Jahresgeburtszahl unter 1.000 liegt.

Man kann vermuten, dass damit fast alle Fälle mit angeborenen Fehlbildungen in der Präfektur Fukushima erfasst werden können. Die Daten sollen auch bei der medizinischen Präfekturuniversität Fukushima vorliegen, die mit der Gesundheitsuntersuchung nach der Katastrophe beauftragt ist.

Das ist auch der Beweis, dass man in Japan nach der Atomkatastrophe daran gedacht hat, dass die angeborenen Fehlbildungen zunehmen könnten.

Bisher war von der medizinischen Präfekturuniversität Fukushima zu hören, dass eine Zunahme an angeborenen Fehlbildungen nicht erkennbar ist. Es ist aber nicht bekannt, wie man dabei die Daten analysiert hat. Das hätte man eigentlich offen vorlegen müssen. Damit die Daten hier in Deutschland durch Experte genauer analysiert werden können, werde ich wahrscheinlich mit einem Antrag zur Datenveröffentlichung an die Daten herankommen.

Zunahme der angeborenen Herzfehler nach der Katastrophe

Mitte März 2019 hat die Stadtuniversität Nagoya an die regionalen Medien eine Pressemitteilung[4] verschickt. Die Stadt Nagoya befindet sich in der Mitte Japans auf der pazifischen Seite.

Die Universität ist sehr stolz darauf, dass der Beitrag der Studie „Nationwide increase in complex congenital heart diseases after the Fukushima nuclear accident (nationalweite Zunahme an angeborenen Herzfehlern nach der Atomkatastrophe von Fukushima)“ im Journal der amerikanischen Herzgesellschaft (AHA: American Heart Association) veröffentlicht wurde[5]. Die Studie wurde von einer Wissenschaftlergruppe mit der Assistenzprofessorin MURASE Kaori angefertigt.

Auszug aus dem Beitrag

Der Wissenschaftlergruppe ist es gelungen, die Daten über die Operationen der angeborenen Herzfehler zu bekommen. Die Daten werden von der japanischen Gesellschaft für Brustchirurgie seit langem gesammelt. Es ist wichtig, dass die Daten auch vor der Atomkatastrophe erhältlich sind. Die Gruppe hat die Daten von 2007 bis 2014 analysieren können.

Die Daten der japanischen Gesellschaft für Brustchirurgie umfassen fast alle Operationen an 46 Arten der angeborenen Herzfehler in Japan.

Die Wissenschaftlergruppe hat davon 29 kompliziertere Arten der angeborenen Herzfehler ausgewählt, die auf Schäden im früheren Stadium der Herzentwicklung zurückzuführen wären.

Nach der Analyse wurde festgestellt, dass die Operationen der unter einem Jahr alten Säuglingen wegen der 29 komplizierten angeborenen Herzfehler nach der Atomkatastrophe um ca. 14.2 % angestiegen sind (95%-Konfidenzintervall: 9,3 – 19,4%), und dass die Tendenz bis 2014 angedauert hat. Der Anstieg ist signifikant. Bei den Patienten, die im Studienzeitraum zwischen 1 und 17 Jahren alt waren, wurde keine Veränderung festgestellt.

Obwohl die Zahl der Operationen mit der Fehlbildungsquote an den komplizierten angeborenen Herzfehlern nicht direkt korreliert, stehen die beiden Faktoren im engen Verhältnis. Die Zunahme der Operationen bedeutet eine Zunahme der Herzfehlerbildungsquote.

Die Wissenschaftlergruppe hat aber in ihrem Beitrag vermieden, die Ursache der Zunahme zu ermitteln, und betont, dass man noch die Ursache analysieren soll.

Die Daten der japanischen Gesellschaft für Brustchirurgie sind unter Berücksichtigung der Arten der Operationen an den angeborenen Herzfehlern sortiert. Wenn die Daten ferner nach der embryonalen Herzentwicklung neu sortiert würden, dann deutet das an, dass die durch die Studie erkannte negative Beeinflussung nicht durch die Schäden in einem bestimmten Stadium der Herzentwicklung verursacht worden sein könnte, sondern auf die umfangreichen Schäden im Anfangsstadium der Herzentwicklung zurückzuführen wäre.

Von den 29 komplizierten angeborenen Herzfehlern sind die Zunahmen der Operationen an den nachstehenden angeborenen Herzfehlern statistisch signifikant (Zunahmequote in Klammern)

Atrioventrikulärer Septumdefekt (AVSD) mit anderen (47,7%)
Transposition der großen Arterien (TGA) Ventrikelseptumdefekt (VSD) mit kritischer Pulmonalklappenstenose (PS) (35,0%)
Koarktation mit univentrikulärem Herzen (SV) (34,2%)
Pulmonalatresie mit Ventrikelseptumdefekt (PA+VSD) (33,0%)
Truncus arteriosus (TA) (31,4%)
Tertalogie nach Fallot (TOF) (27,2%)
Hypoplastisches Linksherzsyndrom (HLHS) (20,9%)
Univentrikuläres Herz (SV) (18,5%)
kompletter AVSD (17,9%)

An den 29 komplizierten angeborenen Herzfehlern wurde keine Abnahme der Operationen festgestellt.

(FUKUMOTO Masao)

Anmerkungen:
1 http://www.strahlentelex.de/Stx_14_652-653_S01-05.pdf
2 Ein Beispiel: Hagen Scherb, Eveline Weigelt Zunahme der Perinatalsterblichkeit , Totgeburten und Fehlbildungen in Deutschland, Europa und in hochbelasteten Regionen nach 1986, GFS-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, Vortrag in Loccum, 27.9.2001
3 https://www.icbdsrj.jp/info.html
4 https://www.nagoya-cu.ac.jp/about/press/press/release/files/20190314/310314.pdf#search=%27%E5%90%8D%E5%8F%A4%E5%B1%8B%E5%B8%82%E7%AB%8B%E5%A4%A7+%E3%83%97%E3%83%AC%E3%82%B9%E3%83%AA%E3%83%AA%E3%83%BC%E3%82%B9%E8%A4%87%E9%9B%91%E5%BF%83%E5%A5%87%E5%BD%A2%27
5 https://www.ahajournals.org/doi/pdf/10.1161/JAHA.118.009486

FUKUSHIMA