Zurückkehren oder nicht

Tagebuch eines japanischen Journalisten von fukumoto masao (2015)

Die Staatsstraße Nr. 6 entlang der japanischen Küste, die die 20 Kilometer-Sperrzone um das Unfall-Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi durchquert, kann seit Mitte September 2014, dreieinhalb Jahre nach dem AKW-Unfall, in der gan­zen Strecke befahren werden. Die 14 Kilometer lange Stre­cke innerhalb der Sperrzone wurde aber nur für den Auto­verkehr freigegeben. Inner­halb der Sperrzone darf die Strecke weder mit dem Zwei­rad befahren noch zu Fuß be­treten werden. Die Freigabe wurde erteilt, weil die Straße für Dekontaminationsarbeiten in der Sperrzone gebraucht wird.

Die Sperrzone wurde im April 2011 durch einige Gebiete au­ßerhalb des 20 Kilometer-Radius als „planerische Sperrzo­ne“ ergänzt, wie das Dorf Iita­te, in dem der Jahresdosiswert 20 Millisievert pro Jahr (mSv/a) überschreitet werden kann. Nachdem die japanische Regierung im De­zember 2011 erklärt hatte, dass das Unfall-AKW genug gekühlt sei und unter Kontrol­le stehe, wurden die Sperrzo­nen im April 2012 in 3 Kate­gorien unterteilt. Dafür spielt der Jahresdosiswert vom 20 mSv/a eine wichtige Rolle.

1. Die Gebiete, in denen man feststellen kann, dass der Jah­resdosiswert sicher 20 mSv/a unterschreiten wird, werden als „für die Freigabe zur Rückkehr vorzubereitende“ Gebiete betrachtet. Bis zur Freigabe darf man dort noch nicht wohnen, aber man kann dorthin zeitweise nach Hause fahren, und die öffentlichen Einrichtungen wie Rathäuser, Krankenhäuser und ein Teil der Geschäfte können geöffnet werden, und Landwirtschaft darf auch betrieben werden.

2. Die Gebiete, in denen der Jahresdosiswert 20 mSv/a noch überschritten werden kann, und aus denen man noch evakuiert bleiben soll, werden als „Gebiete mit Wohnbeschränkung“ betrach­tet. Dorthin darf man zeitwei­se nach Hause fahren, und für den Wiederaufbau der Infra­struktur darf man das Gebiet betreten.

3. Die Gebiete, in denen der Jahresdosiswert noch 50 mSv/a übersteigt und noch 5 Jahre nach dem Unfall 20 mSv/a überschreiten kann, werden als Gebiete betrachtet, in die eine Rückkehr unmög­lich ist. Von dort muss man noch evakuiert bleiben. Die 14 km lange Strecke der Staatsstraße Nr. 6 liegt in die­sem Gebiet, in das eine Rück­kehr ausgeschlossen ist.

Ein Jahr nach der Freigabe der Strecke habe ich während meines Japan-Besuchs im September 2015 die Straße be­fahren. Dabei war Frau MARUMORI Aya von der Bürger­messstelle CRMS, die einen Geigerzähler (Ortsdosisleis­tungsmessgerät) mitgebracht hat und nach der Fahrt in ih­rem Labor in Tokio die dabei entnommenen Proben gemes­sen hat. Zur Probenmessung verwen­det sie in ihrem Labor einen Germanium-Halbleiterdetektor.

Die Stadt Iwaki

Erstes Ziel auf unserem Ta­gesausflug ist der Besuch des Aquariums „Aquamarine Fuku­shima“ in Iwaki. Die Stadt Iwaki liegt südlich des Unfall-AKW, und der nördliche Teil der Stadt liegt innerhalb des 30-Kilometer Kreises um das AKW. Die japanische Regie­rung hatte nach dem AKW-Unfall die Einwohner des 20 bis 30 Kilometer vom AKW entfernten Gebiets aufgerufen, zu Hause zu bleiben. Ein Teil der Einwohner der Stadt durf­ten deshalb eine Zeitlang ihre Wohnungen und Häuser nicht verlassen. Die Stadt war zu­dem vom Tsunami stark be­troffen. Auch im Aquarium sind die Fische und die ande­ren Meerestiere gestorben, weil die Stromversorgung un­terbrochen wurde. Die zuerst in Betrieb genommenen Die­selaggregate konnten nicht mehr betrieben werden, weil das Aqualium aufgrund der zerstörten Infrastruktur nicht mehr mit dem Dieselkraftstoff versorgt wur­de. Das Aquarium konnte aber schon 4 Monate später wieder geöffnet werden, da das Ge­bäude nicht beschädigt war.

Wir wollen an der Veranstal­tung „Eß-Lab“ im Aquarium teilnehmen, in der die vor der Küste des Unfall-AKW ge­fangenen Fische gemessen und dann gegessen werden sollen.

Als ich von der Veranstaltung gehört habe, war ich skep­tisch, da die zur Messung zer­kleinerten Fische nicht mehr gegessen werden können. Ich war auch nicht sicher, ob die Fische sicher essbar sind.

Zuerst fahren wir zum Fisch­markt „Iwaki-La-La-Mew“, der sich in der Nähe des Aquariums befindet. Der Fischmarkt liegt am Hafen Onahama wie das Aquarium, aber anders als das Aquarium wurde dessen Erdgeschoss durch den Tsunami vollstän­dig zerstört. Der Fischmarkt konnte im November 2011 wieder geöffnet werden.

Unterwegs zum Fischmarkt sehe ich, wie sich die Stadt erst noch im Wiederaufbau befindet. Die Straßen werden noch saniert, und der Schutt ist noch an den Straßen gela­gert. Die schwarzen Säcke mit kontaminiertem Schutt liegen noch am Hafen.

Wir besuchen im 1. Oberge­schoss des Fischmarktes eine Ausstellung über das Erdbe­ben und den Tsunami. Dort wird gezeigt, wie schwer der Fischmarkt zerstört wurde, und unter welchen Bedingun­gen die Einwohner in Iwaki nach dem Tsunami leben mussten. Der Schwerpunkt der Aus­stellung ist auch zu zeigen, wie konsequent die Stadt wie­der aufgebaut wird. Dazu ge­hört ein Pilotprojekt mit schwimmenden Offshore-Wind­anlagen, die teilweise bereits im Küstenmeer in Betrieb sind. In der Ausstellung ist von Radioaktivität keine Re­de.

Im Fischmarkt werden Fische angeboten, nicht nur aus Fukushima, sondern auch aus anderen Regionen in Japan wie Hokkaido, die nördlichste Teilinsel Japans. Die Fische sehen ganz frisch aus, und die Verkäuferinnen und Verkäufer sprechen mit sehr munteren Stimmen die Kundschaft an. Ich spreche mit einem Ver­käufer, und er ist fest davon überzeugt, dass die Fische gar nicht mehr kontaminiert sind. Bei ihm kaufen wir Trogmu­scheln aus Fukushima-Onaha­ma, die ein Hauptmeerespro­dukt Fukushimas sind. Die Muscheln sind 8 bis 10 Zen­timeter groß und leben noch. Sie wurden später in Tokio von Frau Marumori gemessen.

Das Messergebnis (ohne Schalen) beträgt in Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg):

Cäsium-134: 0,26 ± 0,07 Bq/kg

Cäsium-137: 0,86 ± 0,11 Bq/kg

Cobalt-60: 1,68 ± 0,12 Bq/kg

Auffällig ist, dass Cobalt-60 gemessen wurde. Nach dem Buch des japanischen Meeres­forschers Prof. MIZUGUCHI Kenya „Korekara donaru umi to daichi“ [1] wurden bereits in einer Studie von 1978 bis 1979 in den Trogmuscheln (ohne die Schalen), die vor dem Wasserablauf des AKW Fukushima-Daiichi gefangen wurden, Cobalt-60 und Man­gan-54 gemessen. Damals la­gen die Werte von Cobalt-60 und Mangan-54 jeweils bei 4 bis 13 piko-Curie pro Kilo­gramm (pCi/kg) und 14 bis 25 pCi/kg.

Der jetzt gemessene Wert von 1,68 Bq/kg für Cobalt-60 be­trägt umgerechnet 45,4 pCi/ kg. Der Cobalt-60-Wert ist jetzt also mehr als 3-fach hö­her. Mangan-54 wurde jetzt nicht gemessen.

Anschließend fahren wir zum nahe liegenden Aquarium. Dort stellen wir erst fest, dass die Veranstaltung „Eß-Lab“, die wir eigentlich besuchen wollen, nicht an diesem Tag, sondern erst am nächsten statt­findet. Das war ein Missver­ständnis von unserer Seite. Es gelingt uns aber, mit dem da­für zuständigen Forscher, Herrn YOSHIDA Kousuke zu sprechen. Er führt uns ins La­bor. Das Aquarium soll auch als Forschungseinrichtung der Präfektur Fukushima dienen, und Herr Yoshida ist zusam­men mit einem Tierarzt für die Messungen zuständig. Die wichtige Aufgabe seines Teams ist die Beobachtung der staatlich veröffentlichten Messergebnisse der zum Ver­zehr bestimmten Fische und Meerestiere. Das staatliche Meeresamt misst regelmäßig die Radioaktivität in Fischen und Meerestieren, die vor der Küste des Unfall-AKW selbst gefangen wurden. Das Team von Herrn Yoshida fängt zum Vergleichen auch selbst im selben Meeresgebiet dieselben Sorten von Fischen bzw. Mee­restieren wie das Meeresamt und misst selbst die selbst ge­fangenen Fische und Meeres­tiere. Die Veranstaltung „Eß-Lab“ hat den Zweck, der Öf­fentlichkeit einen Teil dieser Arbeit vorzuführen. Dabei werden die zuvor von seinem Team gefangenen der Veranstal­tung gekauften Fische und Meerestiere vor den Teilneh­mern gemessen und nach der Vorführung des Messens werden dieselben Sorten der Fische und Meerestiere zu­bereitet und gegessen, die vor der Vorführung von seinem Team auf dem Markt gekauft wurden.

Im Labor sind viele Ordner, in denen die Messblätter mit den eigenen Messergebnissen ein­geheftet sind. Wir konnten die Akten einsehen. Dort werden nicht nur Meeresfische und -tiere, sondern auch Süßwas­serfische und -tiere gemessen, sowie das als Trinkwasser aufbereitete Flusswasser und die Erde. Außerdem werden zum Beispiel auch auf der Straße angefahrene Frösche und lebende Schlangen ge­messen. Die gemessenen Pro­ben umfassen eine große Brei­te an Objekten und die Mes­sungen dienen auch dem Umweltmonitoring.

Nach der Einsicht der Messer­gebnisse, die gammastrahlen­de Radionuklide betreffen, stellen wir fest, dass die Radi­oaktivität jetzt in den meisten Fällen die Nachweisgrenze des Messgerätes unterschreitet. Herr Yoshida erklärt, dass jetzt klarer ge­worden sei, welche Sorten von Fischen und Meerestieren noch kontaminiert sind. Man­che Fische und Meerestiere, die am Meeresboden leben, sind noch verseucht. Einige, die überwiegend nah der Mee­resoberfläche leben, sind auch noch verseucht, da sie das kontaminierte Plankton fres­sen. Solche aber, die in der mittleren Meerestiefe leben, und deren Bewegungsbereich sehr groß ist, seien fast gar nicht mehr verseucht. Die Süßwasserfische weisen nor­malerweise mehr Radioaktivi­tät auf als Meeresfische.

Bei dem dort verwendeten Messgerät handelt es sich um das Szintillationsmessgerät des japanischen Herstellers Hitachi Aloka Medical, das nach dem AKW-Unfall entwickelt wurde. Das Messgerät hat den Vor­teil, mit reduzierter Messzeit Jod-131, Cäsium-134 und -137 schnell zu messen, aber damit auch den Nachteil, dass die Nachweisgrenze höher ist und je nach Messzeit sogar im zweistelligen Becquerel-Be­reich liegen kann. In den meisten öffentlichen Stellen in Japan sollen diese Messgeräte im Einsatz sein. Es könnte sein, dass das Messgerät nur den Zweck hat, schnell festzu­stellen, ob die Grenzwerte für Lebensmittel (100 Bq/kg für die meisten Lebensmittel) über­schritten werden oder nicht. Der Fischerverband der Prä­fektur Fukushima gibt freiwil­lig nur Fische und Meerestiere unter 25,0 Bq/kg zur Auslie­ferung frei. Für diesen Zweck genügt das Messgerät des Aquariums. Ich hätte aber ge­wünscht, dass jede öffentliche Stelle für ihre Messungen mindestens einen Germanium-Halbleiterdetektor mit der Nach­weisgrenze von 1,0 Bq/kg ein­setzen würde, wenn es wirk­lich um die Sicherheit von Lebensmitteln gehen würde, wie bei der Bürgermessstelle CRMS.

Landkarte der Regionen Iwaki und Futaba mit den Besuchsstationen des Tegesausfluges

Die Kleinstadt Naraha

Nun fahren wir nach Norden, in Richtung des Unfall-AKW. Unser Ziel ist Naraha, die Kleinstadt, die um 0.00 Uhr am 05. September 2015 für die Rück­kehr freigegeben wurde. Für die Freigabe wurde ange­nommen, dass die Jahresdosis 20 mSv/a nicht überschreitet. Im Normalfall soll nach dem internationalen Standard die Jahresdosis unter 1 mSv/a lie­gen. Unterwegs zeigt das Messgerät im Auto überwie­gend eine Ortsdosisleistung unter 0,15 Mikrosievert pro Stunde (μSv/h). In Japan soll sie normalerweise bei circa 0,07 μSv/h liegen. Es scheint, dass der Strahlenwert auf der Straße mit viel Verkehr nied­riger ist. Man sieht da und dort die provisorischen Wohn­einrichtungen der Evakuierten und die Unterkünfte der AKW-Arbeiter oder der De­kontaminationsarbeiter. Ansons­ten scheint alles normal zu sein.

Am Ortseingang von Naraha steigt der Strahlenwert auf über 0,25 μSv/h an. Eigentlich hätte er 0,23 μSv/h nicht über­schreiten dürfen, da der für die Dekontamination gültige Grenz­wert 0,23 μSv/h beträgt. Man sollte auch wissen, dass der Strahlenwert im Auto niedri­ger ist als im Freien, da die Karosserie teils die Strahlung abschirmt.

Wir parken das Auto vor dem Rathaus von Naraha. Am Rat­haus ist ein offizieller Mess­punkt, dessen Anzeige 0,188 μSv/h angibt. Dagegen zeigt unser Messgerät 0,32 μSv/h. Ja, ich wusste es, die Strah­lenwerte an den offiziellen Messpunkten weisen einen wesentlich niedrigeren Wert auf.

Am Rathaus ist eine proviso­rische Einkaufs- und Versor­gungseinrichtung. Sie ist circa 20 Meter breit und sieht wie eine Baustelleneinrichtung aus. Da sind zwei Supermärkte und zwei Gaststätten. Wir ge­hen in die eine Gaststätte „Take-chan shokudo“ hinein, um Mittag zu essen. „Take-chan“ ist der Kosename des Kochs, der der Mann der Wir­tin ist, und „shokudo“ heißt Gaststätte. Die Wirtin, Frau SATO Miyuki erzählt, dass die provisorische Einrichtung ganz schnell gebaut und auch mit den Kücheneinrichtungen ganz zügig ausgerüstet wurde. Ihre Gaststätte wurde schon Ende Juli 2014 eröffnet, und die Eröffnung wurde von der Regierung und der Kommu­nalverwaltung ganz und gar unterstützt. Sie sagt, die Re­gierung wollte die Einrichtung zuallererst. Frau Sato betrieb auch vor dem AKW-Unfall eine Gaststätte in Naraha und bot dort damals 50 verschie­dene Gerichte an. Jetzt hat sie aber nur circa 10 Gerichte im Angebot. Das bedauert sie sehr, aber anders gehe es nicht, da in ihrer kleinen Gast­stätte zu Mittag Hochbetrieb herrsche. Die Kundschaft be­stehe überwiegend aus den Arbeitern im AKW und für die Dekontaminationsarbeit. Hätte sie noch mehr verschie­dene Gerichte im Angebot, dann könne sie nicht alle be­dienen. Das Ehepaar wohnt noch nicht in Naraha, hofft aber, bald nicht mehr im Pro­visorium arbeiten zu müssen.

Viel Freude für die Eröffnung im Satos Dankespapier

In der Gaststätte ist auch eine Familie, die gerade das Fami­liengrab besucht hat. In der Provinz ist die Bindung an die Familie, damit auch ans Fami­liengrab, sehr stark. Unter­wegs habe ich in allen Fried­höfen, an denen wir vorbeige­fahren sind, gesehen, dass die durch den Tsunami zerstörten Grabsteine nagelneu ersetzt worden sind. Ich kann noch nicht vergessen, dass die Grabsteine unter der Sonne blendend glänzten. Das ist auch ein Indiz, dass man die Heimat nicht vergessen und sie nicht verlassen will. Ich weiß, dass das vor allem der Wunsch der alten Familien­mitglieder wie den Großeltern ist. Aber die jungen Famili­enmitglieder, die noch kleine Kinder haben, haben noch Furcht vor der radioaktiven Belastung. Das verursacht Konflikte in der Familie. Au­ßerdem ist völlig unklar, wie hier neue Arbeitsplätze ge­schaffen werden können. Es ist alles nicht einfach, selbst nach der Freigabe, aber ich fürchte, dass die Regierung nach der Freigabe mit allen Problemen gar nichts mehr zu tun haben will.

Vor der Gaststätte lerne ich Frau TAKANO Sachiko ken­nen. Sie betreibt ein mobiles Café mit einem ganz niedli­chen Kleinwagen. Sie dachte früher nie ans Betreiben eines Cafés, aber sie muss jetzt et­was unternehmen, um zu überleben. Die ganz bescheidene Frau sagt mit, das mache ihr viel Spaß.

provisorische Einkaufs- und Versorgungseinrichtung mit mobilem Café in Naraha
Frau Takano im mobilen Café

Vom Rathaus gesehen finden wir nach oben eine Schule. Dahin gehen wir jetzt. Die Steigung zur Schule ist ge­sperrt, da an der Straße die schwarzen Säcke mit konta­minierter Erde gelagert sind. Bei den Säcken wachsen Ster­nenschnäuzer (Nostoc) auf der Straßenoberfläche. Die ent­nehmen wir als Probe. Ge­messen wurden Cäsium-134 und -137 mit jeweils 727,4 ± 13,3 Bq/kg und 3070,7 ± 27,1 Bq/kg.

Oben stellen wir fest, dass die Schule eine Mittelschule ist. Das Schulgebäude ist sehr schön saniert und sieht jetzt wie ein neues Gebäude aus. Der Sportplatz wird noch sa­niert. Am Schulgelände ist ein Gehweg, an dem Moose wachsen. Die wurden später in Tokio gemessen. Das Messer­gebnis ist besorgniserregend: Cäsium-134 beträgt 5731,9 ± 49,9 Bq/kg, und Cäsium-137 23325,5 ± 101,3 Bq/kg. Die Werte sind sehr hoch. Auf dem Gehweg zeigt das Mess­gerät Ortsdosisleistungen zwi­schen 0,2 und 0,3 μSv/h.

Die Schule wurde erst Anfang April 2017 eröffnet. In der Schule lernen aber nicht nur Mittelschüler, sondern auch Grundschüler aus zwei Grundschulen. Insgesamt gab es am Anfang 105 Schüler. Sie wohnen nicht alle in Naraha, sondern viel kommen aus dem Evakuierungsort außerhalb von Naraha.

Bei der Schule befinden sich auch private Häuser, die jetzt nicht mehr bewohnt sind. Dort sehe ich einen verrosteten LKW und ein staubbedecktes Auto. Es scheint, dass dort über­haupt nicht dekontaminiert wurde. Am einen Haus zeigt der Zähler 0,87 μSv/h, weit überschritten ist der Grenz­wert von 0,23 μSv/h für die Dekontamination. Das ist die Wahrheit in der nach der De­kontamination zur Rückkehr freigegebenen Ortschaft.

Ein staubbedecktes Auto in der Hausgarage

Vom Rathaus aus fahren wir jetzt zum Kurhaus „Tenjinmi­sakionsen Shiokazesou“ am höher liegenden Tenjin-Kap in der Ortschaft. Unterwegs sehe ich einen Kindergarten, der auch wie nagelneu saniert wurde. Es ist merkbar, dass für den Wiederaufbau die Bil­dungseinrichtungen bevorzugt werden. Das ist wahrschein­lich die Strategie der japani­schen Regierung, um die Rückkehr von jungen Fami­lien zu fördern. Später erfuhr ich, dass die Schulen erst im Frühjahr 2017 Kinder wieder aufnehmen werden.

Die Kureinrichtung mit dem Thermalbad wurde gerade erst am 19. September 2015 wie­der geöffnet. Am Eingang des Kurhauses steht extra ein Schild, auf dem beschrieben ist, dass die Einrichtung mit Hilfe der Abgaben zur lang­fristigen Entwicklung des AKW-Standortes errichtet wur­de. An der Bushaltestelle ist auch ein Aufkleber zu sehen. Hier steht: „Der den Wieder­aufbau unterstützende Bus“. Es scheint, dass alle sagen wollen: „Es lebe der Wieder­aufbau“, oder „Es lebe die Rückkehr“. Neben dem Kom­plex befinden sich die großen provisorischen Unterkünfte, in denen die Arbeiter im Unfall-AKW wohnen.

Die Kureinrichtung ist ein lu­xuriös gebauter Komplex. Da­zu gehören die im skandinavi­schen Stil gebauten Ferien­häuser. Solche komplexen lu­xuriösen Anlagen sind an je­dem AKW-Standort in Japan zu sehen. Um die Akzeptanz für die Kernenergie vor Ort zu fördern, werden an jedem AKW-Standort überdimensio­nierte öffentliche Einrichtun­gen wie Sporthalle und Sport­platz, Kurhaus sowie unnötige Straßen mit öffentlichen Gel­dern gebaut. Später wird den Kommunalverwaltungen klar, dass sie durch die Instandhaltungen für die Einrichtungen fi­nanziell sehr überfordert werden. Um den Standort von den Belastungen zu entlasten, müssen immer wieder öffentliche Gelder auf­genommen werden, mit denen wieder etwas Neues gebaut wird. Das ist ein System zur Förderung der Kernenergie in Japan. Davon sind viele ab­hängig, wie die Bauindustrie, die an jedem japanischen AKW-Standort neben dem AKW die einzige Industrie vor Ort ist. Wenn man einmal in diese Interessengemein­schaft eintritt, kann man nur schwer wieder austreten. Die Wirkung ist wie die einer Droge.

Wir stehen jetzt am Tenjin-Kap. Von dort aus kann man den Offshore-Windpark se­hen, wenn das Wetter gut ist. Ein Fernglas befindet sich auch dort. Bei dem Projekt werden 3 verschiedene Typen von schwimmenden Windan­lagen mit verschiedenen Leis­tungen getestet. Jetzt sind eine 2 Megawatt-Anlage und ein Umspannwerk in Betrieb. Der erzeugte Strom wird ins Netz im Festland eingespeist. Au­ßerdem soll bald eine 7 Me­gawatt-Anlage in Betrieb ge­nommen werden. Eine 5 Me­gawatt-Anlage soll noch ge­baut werden.

In Japan kom­men für Offshore-Windanla­gen nur schwimmende Anla­gen in Frage, da es im Meer um Japan sehr tief ist und die Anlagen auch tsunami-beständig sein müssen. Aber um die japanischen Inseln herum befinden sich überall Fischfanggebiete, und es ist schwer vorstellbar, dass die Fischer den Bau akzeptieren. Die Stadtverwaltung Iwaki wollte eigentlich in der Stadt eine Basisstation für Offshore-Windanlagen aufbauen, aber sie soll den Plan aufgegeben haben, da sie keine Einigung mit dem Fischereiverband er­zielen konnte.

Von oben aus kann man auch sehen, dass an der Küste noch saniert wird. Ein riesengroßes Lager ist zu sehen, das fast überall mit grünen Planen be­deckt ist. Dort ist in schwar­zen Säcken der durch die De­kontaminationsarbeit entstan­dene kontaminierte Schutt und Erde gelagert. Ich dachte zu­erst, dass das ein Zwischenla­ger ist. Nein, das ist nur ein provisorisches Lager, heißt es.

Das provisorische Lager in Naraha

Die japanische Regierung bat die Ortschaft Naraha sowie die nördlich von Naraha lie­genden Ortschaften Ookuma und Futaba, jeweils den Bau eines Zwischenlagers zu ak­zeptieren. Zuerst haben die Einwohner von Naraha Unter­schriften gesammelt, um dar­über eine Volksabstimmung zu machen. Die dafür notwen­digen Unterschriften wurden dem Bürgermeister überreicht, aber das Ortsparlament hat die Volksabstimmung abgelehnt, mit der Begründung, dass die Frage nicht nur vor Ort ent­schieden werden soll. Nun sollen die Zwischenlager in Ookuma und Futaba errichtet werden, aber der Erwerb der dafür notwendigen Grundstü­cke geht nicht voran. Trotz­dem hat man im Juli 2015 damit begonnen, die Säcke mit kontaminiertem Schutt und kontaminierter Erde von Naraha nach Futaba abzu­transportieren.

Die Kleinstadt Tomioka

Unser nächstes Ziel ist der durch den Tsunami zerstörte Bahnhof Tomioka. Die Ort­schaft Tomioka liegt gleich nördlich von Naraha und liegt sowohl im für die Freigabe zur Rückkehr vorzubereiten­den Gebiet, als auch im Gebiet mit der Wohnbeschränkung und im rückkehrunmöglichen Gebiet.

Unterwegs besuchen wir einen Supermarkt „FamilyMart“ am Rande von Naraha. Der Su­permarkt wurde am 30. Januar 2015 eröffnet. Er ist ein soge­nannter „convenience store“ in Japan und täglich 24 Stun­den lang geöffnet. Das vom Unfall-AKW circa 20 Kilome­ter entfernte Geschäft liegt dem AKW am nächsten und wird jetzt von den Arbeitern im Unfall-AKW und den De­kontaminationsarbeitern sehr gut besucht. Das Ehepaar Murano betreibt das Geschäft. Vor dem AKW-Unfall arbei­tete der Mann als Wachmann für das näher liegende andere AKW Fukushima-Daini (Fukushima Nr. 2), und die Frau war Hausfrau. Jetzt müssen sie gemeinsam ein ganz anderes Geschäft führen, um in der Heimat zu überleben.

Der Supermarkt am Rand von Naraha

Wenn wir die Ortschaft Na­raha verlassen, dann fahren wir gleich an der Eingangs­straße zum AKW Fukushima-Daini vorbei. Danach sehen wir unterwegs da und dort an der Straße Baumaschinen, LKWs und schwarze Säcke. Es wird für die Dekontamina­tion gearbeitet. Das Messgerät für die Ortsdosisleistung zeigt zunehmend höhere Strahlen­werte. Um den Bahnhof zu er­reichen, fahren wir in eine Querstraße in Richtung zur Küste. Dort zeigt der Zähler 0,38 μSv/h. Gleich darauf füh­le ich mich durch den Zustand der Ortschaft völlig überwäl­tigt. Viereinhalb Jahre nach der Katastrophe liegen viele Häuser noch immer vom Tsunami zerstört vor uns, und es ist dort menschenleer. Nur das Wasser des Tsunami ist nicht mehr vorhanden.

Bei der Dekontamination

Wir kommen am Bahnhof Tomioka an, aber wir sehen den Rest des zerstörten Bahn­hofsgebäudes nicht, der ab und zu in den Fernsehnach­richten und Dokumentarfil­men gezeigt wurde. Die Ei­senbahnschienen und der Bahnsteig sind dagegen noch vorhanden. Wir fragen einen Dekontaminationsarbeiter, der zufällig dort ist. Der Rest des Bahnhofsgebäudes soll bereits abgerissen worden sein. In­formationen der Eisenbahnge­sellschaft JR Ostjapan zufolge musste er aus Sicherheits­gründen bis Anfang März 2015 abgerissen werden, da er dort als „Sehenswürdigkeit“ stark von Touristen besucht wurde. Der von der Küste 200 Meter entfernte Bahnhof soll ein schöner Bahnhof gewesen sein, und einige übrig geblie­benen Teile sollen später in einem Museum ausgestellt werden, um sich an das Erd­beben und den Tsunami zu er­innern.

Der Bahnhof wurde wieder aufgebaut und am 21. Oktober 2017 neueröffnet. Die von Süden kommende Bahn kann jetzt bis zum Bahnhof Tomioka fahren.

Bilder am Bahnhof Tomioka

Der Dekontaminationsarbeiter sagt mir, dass die Dekontami­nationsarbeit in Tomioka zu circa 80 Prozent fertig ist, und dass er herzlich wünscht, dass die Einheimischen bald wie­der nach Tomioka zurückzie­hen können. Das kann ich aber nicht glauben. Im Bereich hin­ter dem Bahnhof sind nur die zerstörten Häuser, Getränke­automaten und Autos zu se­hen. Hier ist ein Trümmerfeld. Es ist hier überhaupt nicht de­kontaminiert. Am Bahnhofs­gelände ist auch ein großes Lager, in dem die schwarzen Säcke aufgehäuft sind. Dane­ben ist eine Verbrennungsan­lage, die kontaminierten Schutt verbrennt. Auf dem Schulsportgelände sind auch die schwarzen Säcke aufei­nander gelagert.

Ein Polizeiwagen fährt an uns vorbei, als ob er uns beobach­ten würde. Während wir in Tomioka sind, ist er immer ir­gendwo in unserer Nähe. Wir entnehmen am Bahnhof als Probe die Erde, die später in Tokio von Frau Marumori gemessen wurde. Cäsium-134 liegt bei 166.61 ± 6.57 Bq/kg, und Cäsium-137 bei 709.20 ± 13.33 Bq/kg. Dort muss wohl doch noch dekontaminiert werden.

Die Kleinstädte Ookuma und Futaba

Wir fahren weiter noch nach Norden, bis nach Futaba, die Ortschaft, in der sich ein Teil des Unfall-AKW-Geländes befindet. Bald fahren wir in die nur zum Autoverkehr frei­gegebene Strecke ein. Am Beginn der Strecke, noch in der Ortschaft Tomioka, zeigt der Zähler des Meßgerätes ei­nen Strahlenwert von circa 0,49 μSv/h. Wir sehen oft an der Strecke die Tafeln mit der Überschrift „rückkehrunmög­liches Gebiet“. Am Eingang jeder Querstraße ist eine Schranke beziehungsweise ein Zaun, und an der Schranke steht ein Wachmann. Ohne Passierschein wird man nicht in die Querstraße hineingelas­sen.

Je weiter wir nach Norden fahren, desto mehr sehen wir auf den beiden Seiten der Strecke zerstörte Häuser und Geschäfte, und desto höher wird der Strahlenwert im Au­to. Auf Höhe des Yorunomori-Parks, der noch am Rande der Ortschaft Tomioka liegt, zeigt der Zäh­ler 2,0 μSv/h. Wir verlassen die Ortschaft Tomioka und fahren in die Ortschaft Ooku­ma ein, die südlich des Unfall-AKWs liegt. Plötzlich er­scheint vorn, weit über der Straße, eine Anzeige des Strahlenwertes. Die zeigt 3,1 μSv/h, aber unser Gerät zeigt nur 0,67 μSv/h an. So etwas häuft sich danach auf der Strecke. Bei den Anzeigen über der Straße liegt der Strahlenwert zwischen 1,8 und 3,8 μSv/h, und der Strah­lenwert unseres Gerätes im Auto liegt bis zu einem Zehn­tel niedriger. Ich kann das nicht gut verstehen, aber man kann es wahrscheinlich wie folgt erklären: Auf der Straße mit viel Verkehr sind radioak­tive Stoffe durch Autos zer­streut. Die Straße kann auch dekontaminiert worden sein. Das Messgerät an jedem Messpunkt ist nicht auf der Straße, sondern neben der Straße, wo überhaupt nicht dekontaminiert wurde. Durch die Dekontamination der Stra­ße wurden sogar mehr radio­aktive Stoffe neben der Straße abgelagert, wodurch die Radi­oaktivität verdichtet wurde.

Anzeige an einem Messpunkt über der Straße

Wir fahren an einem Lager mit schwarzen Säcken vorbei und halten das Auto an, um am Straßenrand die Strahlung zu messen. Die liegt bei 2,3 μSv/h. An der Eingangsstraße zum Unfall-AKW ist auch ei­ne Anzeige über der Straße. Die zeigt 3,8 μSv/h, den bis­her höchsten Wert. Dann se­hen wir auf der rechten Seite die Spitzen der Kräne und ei­nes Schornsteins im Unfall-KKW. Wir verlassen die Ort­schaft Ookuma und fahren in die Ortschaft Futaba ein, die nördlich des Unfall-KKWs liegt.

Vorne liegt das Unfall-AKW mit Schonsteinen und Kränen

Am Eingang der Ortschaft zeigt der Zähler im Auto 0,3 μSv/h. Wir fahren noch weiter bis auf die mittlere Höhe der Ortschaft, wo sich die Sport­halle befindet. Vor der Sport­halle hängt eine straßenbreit große Tafel über der Quer­straße. Dort steht der Spruch der Ortschaft: „Die Kernener­gie ist eine lichte Zu­kunftsenergie“. Die kann man noch vom Eingang der Quer­straße gut sehen, aber die Querstraße ist durch einen Metallzaun gesperrt, und vor dem Sperrzaun ist auch eine kleine Tafel senkrecht aufge­stellt. Darauf steht „Straßen­sperrung wegen des rückkehr­unmöglichen Gebiets“. Was für eine Ironie ist das! Hier in der Nähe zeigt unser Messge­rät am Rande der Straße den Strahlenwert von 4,8 μSv/h.

Links eine gelbe Tafel mit „Straßensperrung wegen des rückkehrunmöglichen Gebiets“, hinten die Quertafel mit „Die Kernenergie ist eine freudige Zukunftsenergie“

Zurückkehren oder nicht

Wir müssen dann nach Süden, in Richtung zur Stadt Iwaki, zurückfahren. Wenn wir noch genug Zeit haben, wollen wir das provisorische Wohngebiet besuchen, in dem die Einwoh­ner von Naraha wohnen. Es liegt am Rande einer großen Wohnsiedlung in der Stadt Iwaki. Als wir dort ankamen, war es bereits dunkel. An je­dem provisorischen kleinen Häuschen sehe ich warme Lichter. Wir fahren zum pro­visorischen Laden „Kuncha-Platz“. „Kuncha“ ist eine Mund­art der Region Futaba, zu der auch die Ortschaft Naraha ge­hört, und bedeutet „Geben Sie mir bitte“. Extra für alte Men­schen wurde das Wort ausge­wählt, damit sie sich hier wohl fühlen können. Der kleine La­den wird von den beiden Her­ren, Herrn MIKIMO­TO Mitsuo und Herrn YOSHI­DA Akira betrieben. Herr Mikimoto und Herr Yoshida besaßen in Naraha vor dem AKW-Unfall jeweils einen Fischladen. Jetzt bieten sie gemeinsam im Con­tainer-Laden nicht nur Fische, sondern alle Lebensmittel und Artikel des täglichen Bedarfs an. Als die Handelskammer Naraha ihre Geschäftsleute nach dem Betreiben eines provisorischen Ladens am provisorischen Wohngebiet an­fragte, wollte das niemand übernehmen, weil man schon absehen konnte, dass das nicht gut läuft. Aber mindestens ein Geschäft muss dort sein, weil im Provisorium überwiegend die alten Einwohner wohnen. Sonst hätten sie Probleme mit dem Einkauf. Die beiden Her­ren wurden überredet. Aber sie sind jetzt sehr froh, dass sie das gemacht haben. Gleich nach der Eröffnung fanden sie ein paar hundert Stammkun­den, und der Kuncha-Platz wurde der Ort, an dem die evakuierten Menschen sich wieder treffen und austau­schen.

Das Ehepaar Yoshida (links) und
das Ehepaar Mikimoto (rechts) am Kuncha-Platz

Herr Yoshida sagt mir, dass er kein Geschäft mehr führen will, auch wenn er nach Na­raha zurückkehren wird. Das ist schon genug, sagt er, aber er will noch sehen, ob viele nach Naraha zurückziehen, wenn die Schulen im Frühjahr 2017 wieder Kinder aufneh­men. Ich frage ihn, ob viele schon gleich nach der Freiga­be zur Rückkehr vom Proviso­rium nach Naraha gezogen sind. Nein, sagt er. Fast alle wollen dort noch im Proviso­rium bleiben.

Aber bald kann es eine Bewe­gung geben, weil die noch evakuierten Einwohner nach der Freigabe zur Rückkehr als „freiwillig evakuiert“ einge­stuft werden. Dann wird ab einem Jahr nach der Freigabe keine Entschädigung mehr ge­zahlt. Manche wollen dann nach Hause zurückziehen, während manche aus Angst vor der Radioaktivität noch fernbleiben wollen. Damit wird die lange zusammenhaltende Gesellschaft gespaltet. Frau HASEGAWA Ha­nako aus Iitate, die in einem pro­visorischen Wohngebiet in der Stadt Fukushima wohnt, sagte mir, dass es eine bessere Lösung wäre, wenn alle Ein­wohner aus der gleichen Ort­schaft, die im Provisorium wohnen, gemeinsam in ein sicheres nicht kontaminiertes Gebiet als festen Wohnsitz umziehen könnten.

Die Entschädigungszahlung ist auch ein sozialer Zündstoff zwischen den Evakuierten und den Einwohnern, die in ihrer Ortschaft die Evakuierten auf­nehmen mussten. Sie wohnen jetzt in einem Ort, aber die ei­nen bekommen Geld und die anderen bekommen nichts. Das Geld ist nicht wenig. Viele sind deshalb auf die Eva­kuierten sehr neidisch. Es soll Leute geben, die nicht offen sagen wollen, dass sie evaku­iert sind. Aus diesem Hinter­grund ist auch ein Ort wie der Kuncha-Platz für die Evaku­ierten sehr wichtig, weil man sich dort mit den Einheimi­schen treffen und offen mitei­nander reden kann.

Am Kuncha-Platz kaufen wir einige in Fukushima geerntete japanische Birnen (Nashi). Nashi ist ebenfalls ein Haupt­produkt Fukushimas. Der Co-Besitzer Herr Yoshida sagt mir, dass sie sehr lecker sind. Die Birnen wurden später ebenfalls von Frau Marumori gemessen. Die Werte für Cä­sium-134 und Cäsium-137 lie­gen unterhalb der Nachweis­grenze von 1,0 Bq/kg. Schade, dass ich sie nicht gegessen habe.

Zum Schluss fahren wir zum Bahnhof Iwaki und geben dort den Mietwagen zurück.

Anmerkung:

[1] 水口憲哉 „これからどうなる海と大地“ (Was wird jetzt mit dem Meer und der Erde?) Verlag Nanatsumori shokan Verlag, Tokio Au­gust 2011

(Die 1. Veröffentlichung: Strahlentelex Nr. 692-693 / 29. Jahrgang, 5. November 2015, S. 01-07. Es wurde noch dazu teils ergänzt, um den Beitrag zu aktualisieren.)

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