Das radioaktiv kontaminierte Wasser von Fukushima-daiichi enthält nicht nur Tritium

Tagebuch eines japanischen Journalisten von fukumoto masao (2018)

Nach den Angaben der Be­treiberfirma Tepco [1] dringen jetzt noch täglich 113 Kubik­meter Grundwasser in die Re­aktorgebäude des Unfall-AKW Fukushima-daiichi ein.1 In den Reaktorgebäuden sind somit circa 44.843 Kubikmeter (m³) radioaktiv kontaminiertes Was­ser vorhanden.2 Das Wasser ist sehr hoch radioaktiv belas­tet.

Unter dem AKW-Gelände fließt ständig viel Grundwas­ser vom Gebirge (auf der Westseite des AKW) zur Meerseite (auf der Ostseite des AKW). Da im Boden un­ter dem AKW-Gelände durch das Erdbeben Risse entstan­den sind, fließt das Grundwas­ser durch die Risse in die Re­aktorgebäude und wird dadurch kontaminiert.

Um die Menge des eindrin­genden Grundwassers zu re­duzieren, wird ein Teil weit entfernt vom Reaktorgebäu­den abgepumpt und nach einer Freimessung ins Meer abge­leitet. Außerdem wurden vor den Reaktorgebäuden Eiswän­de in den Boden gebaut, um das Eindringen des Grund­wassers zu behindern. Auf der Küstenseite des Geländes wur­de zudem eine Stahlwand ein­gebaut, um das Abfließen des kontaminierten Wassers ins Meer zu verhindern. Alle mög­lichen Erdoberflächen wurden auch mit Asphalt bedeckt, um das Eindringen des Regen­wassers in den Erdboden zu vermeiden.

Trotzdem entsteht noch jeden Tag viel kontaminiertes Was­ser, obwohl die entstehende Wassermenge im Vergleich mit der durchschnittlichen Menge von Dezember 2015 bis Feb­ruar 2016 (ca. 520 m³) sehr verringert wurde.

Seit der Katastrophe ist das kontaminierte Wasser das Kopf­zerbrechen bereitende Prob­lem, das bisher nicht gelöst werden konnte.

Das kontaminierte Wasser wird abgepumpt, und aus ihm sollen insgesamt 62 verschie­dene Nuklide [2] herausgefil­tert werden. Zuerst werden Cä­sium und Strontium abgetrennt, und das Wasser wird danach entsalzt. Ein Teil des entsalz­ten Wassers wird zur Kühlung der Reaktoren eingesetzt, und der Rest wird zum Mehrfach­filtersystem ALPS (Advanced Liquid Processing System) ge­leitet, um die radioaktiven Sub­stanzen herauszufiltern. Danach soll im Wasser nur noch Tritium übrig sein, heißt es.

Das durch das ALPS gefilterte Wasser wird danach in den Tanks auf dem AKW-Gelände gelagert und beläuft sich jetzt auf circa 940.000 m³.3 Die Lagerkapazitäten werden aber immer knapper und gehen bald zu Ende.

Deshalb wurde eine Taskforce gegründet, die unter der Vor­aussetzung, dass tatsächlich nur noch Tritium im Wasser enthalten sei, die für das kon­taminierte Wasser möglichen Entsorgungsverfahren tech­nisch bewerten soll. Dabei wurden fünf Verfahren aus­gewertet, nämlich ein Ablas­sen in die Erde, eine unterirdi­sche Lagerung nach einer Bindung des Tritiumwassers in Beton, die Einleitung ins Meer, die Freisetzung in die Luft (Verdampfung) und eine Freisetzung als Wasserstoff.

Es ist bekannt, dass die japa­nische Regierung die Einlei­tung ins Meer bevorzugt, da sie Tritium als unbedenklich betrachtet.

Pazifik an der Küste eines Sperrgebietes. Vorne sieht man die Schornsteine des Unfall-AKW.

Dagegen wehren sich Bürger­initiativen. Ende August die­ses Jahres (2018) fanden in Fukushima und Tokio drei öf­fentliche Anhörungen zur Ent­sorgung des kontaminierten Wassers statt. Dabei konnten insgesamt 44 angemeldete Bür­ger*innen ihren Standpunkt äußern. Sie hatten ihn vorher schriftlich vorlegen müssen, und es sollen bei den Anhö­rungen keine Diskussionen und kein Beifall zugelassen worden sein. [3]

Die meisten japanischen Bür­gerinitiativen sind gegen die Freilassung des kontaminier­ten Wassers in die Umwelt und der Auffassung, dass das kontaminierte Wasser in si­chereren Tanks gelagert wer­den soll, um auf das Abklin­gen der Radioaktivität zu war­ten. Das finden sie am sichers­ten und realistischer.

Inzwischen musste die Betrei­berfirma Tepco jedoch zuge­ben, dass im kontaminierten Wasser nicht nur Tritium, son­dern weiterhin auch andere ra­dioaktive Substanzen enthal­ten sind, deren Grenzwerte weit überschritten werden. Nach den Messungen soll es sich dabei insbesondere um Strontium-90 und Jod-129 handeln. Beim Strontium-90 lag der Mess­wert bei bis zu 60.000 Bec­querel pro Liter Wasser (Bq/l). Der Wert ist damit 20.000-fach höher als der in Japan zu­gelassene Grenzwert. [4]

Die Betreiberfirma Tepco hat insgesamt circa 890.000 Ton­nen kontaminiertes Wasser kontrolliert. Bei etwa 750.000 Tonnen (circa 80 Prozent) wurden die Grenzwerte über­schritten. Nach der Aussage von Tepco ist das darauf zu­rückzuführen, dass das Mehr­fachfiltersystem ALPS am An­fang sehr fehlerhaft war, und dass die Filter wegen der immensen Menge an konta­miniertem Wasser nicht früh genug ausgewechselt werden konnten.

Tepco will das Wasser nun noch einmal mit der ALPS-Anlage filtern, gab aber schon zu, dass die Grenzwerte trotz­dem wieder überschritten wer­den können.

Angesichts dieser Umstände soll jetzt mit der Diskussion über die Entsorgung des kon­taminierten Wassers wieder bei null anfangen werden. Ob die japanische Regierung das auch so sieht, ist fraglich. Zum Schluss der Anhörungen sag­ten die Regierungsvertreter nur, dass sie die Standpunkte der Bürgerinitiativen zur Kenntnis genommen hätten.

1.   http://www.tepco.co.jp/decommis­sion/progress/watermanagement/purification_analysis/index-j.html

2.   http://www.tepco.co.jp/nu/fukushima-np/f1/genkyo/fp_cc/fp_alps/index.html

3.   http://www.cnic.jp/english/?p=4219

4.   https://www.asahi.com/articles/ASL8N4CR7L8NUGTB004.html

https://www.asahi.com/articles/ASL9X6HQ3L9XULBJ014.html

Für die Details siehe auch die Anmerkung 1.

1 Stand 25.09.2018

2 Stand 20.09.2018

3 Stand 25.09.2018

(Der Beitrag erschien im Strahlentelex Nr. 764-765 / 32. Jahrgang, 1. November 2018, Seite 7.)

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