Aus der Wiederaufbereitungsanlage soll wesentlich mehr Tritium ins Meer fließen

(Folgen von FUKUSHIMA)

Es ist allseits bekannt, dass im Unfall-AKW Fukushima-daiichi ständig Wasser radioaktiv kontaminiert wird. Das kontaminierte Wasser wird aufgefangen und mit den speziellen Anlagen ALPS (Advanced Liquid Processing System) dekontaminiert. Das dekontaminierte Wasser darf jedoch jetzt noch nicht entsorgt werden, weil immer noch das radioaktive Tritium enthalten ist, das mittels der ALPS nicht entnommen werden kann.

Das kontaminierte Wasser ist in sehr vielen Tanks auf dem Gelände des Unfall-AKW gelagert, aber bald hat man keine Lagerkapazität mehr. Die Gesamtmenge des mit Tritium kontaminierten Wassers beträgt jetzt ca. 120.000 Kubikmeter. Die Betreiberfirma Tepco will die Lagerkapazität auf 137.000 Kubikmeter erhöhen, aber bis zum Sommer 2022 soll die Kapazität bereits erschöpft sein. Das Wasser soll entsorgt werden. Die gesamte radioaktive Belastung mit Tritium beträgt ca. 856 Billionen Becquerel (Bq), und die Aktivität liegt durchschnittlich bei ca. 730.000 Bq/Liter.

Die japanische Regierung hat 2016 eine Kommission eingesetzt, um für das mit Tritium kontaminierte Wasser eine Lösung zu finden. Vorher hatte man Ende 2013 im Rahmen eines Task Force angefangen, über das Problem zu diskutieren. In der Kommission hat man 5 Varianten ausgewertet, nämlich Ablassen in die Erde, Freisetzung als Wasserstoff, unterirdische Lagerung nach einer Bindung des kontaminierten Wassers in Beton, Verdampfung (Freisetzung in die Luft) und Einleitung ins Meer. Im Februar 2020 hat die Kommission der Regierung einen Bericht unterbreitet. Das zuständige Wirtschaftsministerium hatte aber schon im Dezember 2019 vor der abschließenden Auswertung durch die Kommission geäußert, dass man sich auf die Verdampfung und die Einleitung ins Meer konzentrieren will.

Die japanische Regierung will jetzt nach der Vorlage des Berichtes das Wasser mit Tritium ins Meer einleiten. Das entspricht der Entsorgung ins Meer. Die Entsorgung soll 30 Jahre lang dauern. Das ist aber in Japan höchstumstritten. Die Lösung der Regierung ist der Aussage des Kommissionsmitglieds Prof. KOYAMA Ryota von der Universität Fukushima zufolge die billigste Variante nach der Auswertung der Kommission, auch wahrscheinlich die gefährlichste. Es wurde ferner festgestellt, dass in dem durch die ALPS gefilterten Wasser nicht nur Tritium, sondern auch noch Radio-Cäsium und Strontium enthalten sind.

Herr Koyama sagte, dass eigentlich in der Anfangsphase der Nuklearkatastrophe sehr viel kontaminiertes Wasser ins Meer ausgeflossen ist. Sollte sich die Regierung anschließend für die weitere Entsorgung kontaminierten Wassers ins Meer entschieden haben, hätte es weniger Einwände gegeben. So vermutet Herr Koyama.

Aber es ist jetzt zu spät. Die dortigen Fischer, die nach der Nuklearkatastrophe auf den Fischfang verzichten mussten, sind jetzt bereit, wieder mit dem Fischfang zu beginnen. Dafür haben sie schon viel investiert und sich darauf gut vorbereitet. Neulich haben sich deshalb die Fischerinnungen in der Präfektur Fukushima offiziell gegen die Einleitung ins Meer positioniert.

Es hatte im Sommer 2018 drei offizielle Anhörungen gegeben mit den betroffenen Gemeinden, Fischerinnungen, der Präfektur Fukushima und Umweltverbänden. Die Betroffen hatten sich damals schon gegen die Einleitung ins Meer geäußert.

Die Fischerinnungen und die Umweltverbände fordern schon lange, dass das kontaminierte Wasser für eine Bindung mit Mörtel gemischt, zuerst auf dem Lande sicher zwischengelagert und später endlagert werden sollen. Die Variante ist dem Kommissionsmitglied Herrn Koyama zufolge am teuersten und soll von der Regierung nicht ernst erwogen worden sein. Ich glaube, dass man dafür die kontaminierten Erden einsetzen kann, die in Zwischenlagern gelagert sind.

Ich war dabei sehr daran interessiert zu erfahren, wie ernst die Regierung für den Fall der Einleitung ins Meer Auswirkungen in internationalen Gewässern simuliert hat. Herrn Koyama zufolge soll jedoch bisher keine ernsthafte Simulation durchgeführt worden sein.

Der Pazifik an der Fukuhisma-Küste. In der Ferne sind 3 schwimmende Windanlagen zu sehen,
die nach der Katastrophe als Pilotprojekt gebaut wurden.

Am 15. Mai 2020 erklärte das Wirtschaftsministerium in der Ausschusssitzung des japanischen Unterhauses für Wirtschaft und Industrie, dass aus der in Betrieb zu nehmenden Wiederaufbereitungsanlage in dem Dorf Rokkasho im Nord-Osten Japans jährlich 10,8 Billiarden Becquerel Tritium ins Meer entsorgt werden. Das ist enorm viel zu viel. Das entspricht dem 20-fachen Gehalt der Tritium-Gesamtbelastung aus dem Unfall-AKW Fukushima-daiichi, die über 30 Jahre entsorgt werden soll.

Man muss sich dabei vergegenwärtigen, dass es sich bei der Wiederaufbereitungsanlage um eine jährliche Entsorgung handelt. Diese Tatsache erweckte jedoch in Japan nicht nur in den Medien, sondern auch in der Öffentlichkeit nur ganz geringe Aufmerksamkeit. Das ist sehr merkwürdig.

Die Betreiberfirma der Wiederaufbereitungsanlage JNFL (Japan Nuclear Fuel Limited) ist eigentlich in der Unterlage für den neuen Sicherheitsstandard von der jährlichen Tritium-Belastung von 9.700 Billionen Bq als Ziel vorausgegangen. Dieser jährliche Tritium-Wert ist trotzdem noch 10 fach höher als der Gesamtwert aus Fukushima. Die Unterlage war nötig geworden, da der Sicherheitsstandard nach der Nuklearkatastrophe in Fukushima erhöht worden war

Dem neuen Sicherheitsstandard war kurz zuvor von der japanischen nuklearen Aufsichtsbehörde NSR zugestimmt worden. Warum hat das zuständige Wirtschaftsministerium einen 2-fach höheren Wert genannt als in dem von der NSR zugestimmten Papier angegeben?

Hat man den Wert irreführend verwechselt?

Nein, vermute ich. Der 2-fach höhere Jahreswert von 10,8 Billiarden Bg war der ursprüngliche Auslegungswert für die zu bauende Wiederaufbereitungsanlage, vorausgesetzt, dass abgebrannte Brennelemente schon nach 4-jähriger Kühlung zerlegt werden. Da die Inbetriebnahme der Wiederaufbereitungsanlage immer wieder verschoben wurde, sind die gelagerten abgebrannten Brennelemente jetzt schon alt. Der neue Jahreswert von 9.700 Billionen Bq setzt voraus, dass die alten Brennelemente nach einer 15-jährigen Kühlung und Lagerung zerlegt werden. Die Halbwertzeit von Tritium beläuft sich auf 12,3 Jahre. Das bedeutet, dass die radioaktive Belastung mit Tritium in den alten Brennelementen fast halbiert ist.

Die unterschiedlichen Tritium-Werte wären nur so zu erklären. Ich frage mich deshalb, weshalb das Wirtschaftsministerium aber die abweichende Aussage gemacht hat.

Ich nehme an, dass das Wirtschaftsministerium die Kernkraftwerke schnell wieder in Betrieb nehmen und durch den Aufbau eines Brennstoffkreislaufs noch lange, sogar ewig laufen lassen will. Die Aussage im Mai 2020 spiegelt diese lange ersehnte Absicht der japanischen Regierung und Atomindustrie wider. Wenn die alten Brennelemente zerlegt wurden, dann gilt selbstverständlich der ursprüngliche Auslegungswert. Das Wirtschaftsministerium hat so Farbe bekannt.

Der Bau der Wiederaufbereitungsanlage wurde 1993 begonnen, und die Anlage sollte 2009 in Betrieb gesetzt werden. Aber die Fertigstellung musste wegen Baumängel und technischer Probleme immer wieder verschoben werden. Jetzt will die Betreiberfirma JNFL die Anlage in der 1. Hälfte 2021 in Betrieb nehmen, aber die umliegenden betroffenen Gemeinden müssen dem noch zustimmen. Ob sie dazu wirklich noch bereit sein würden, ist noch sehr unsicher.

(FUKUMOTO Masao)

Literatur:

・FUKUMOTO Masao: Das radioaktiv kontaminierte Wasser von Fukushima-daiichi enthält nicht nur Tritium. Strahlentelex Nr. 764-765 / 32. Jahrgang, 1. November 2018. http://www.strahlentelex.de/Stx_18_764-765_S07.pdf

・Online-Vortrag von Prof. KOYAMA Ryota an der Universität Fukushima am 21.06.2020, veranstaltet von Earth Wolkers Japan in der Reihe von Covid-19 Stay Home Project

・小山良太:海洋放出の是非を考えるのに欠かせない⎡トリチウム水⎦への理解、論座Ronza、2020年7月08日

https://webronza.asahi.com/national/articles/2020070300002.html?page=1

・kakujoho.net:

http://kakujoho.net/npt/tritium6ks4.html

http://kakujoho.net/npt/tritium6ks3.html

http://kakujoho.net/npt/tritium6ks2.html

http://kakujoho.net/npt/tritium6ks.html

FUKUSHIMA