Ein Linienflugzeug fliegt über das Unfall-AKW
(Folgen von Fukushima)
Ich musste im Dezember 2019 kurzfristig für eine Woche nach Japan reisen. Glücklicherweise konnte ich sehr günstige Flüge von Finnair buchen, mit denen man zwischen Berlin und Tokio auf dem kürzesten Weg über Helsinki fliegen kann.
Ich mag gerne während des Fluges die Flugkarte und die Bilder von den am Flugzeug angebrachten Kameras am Monitor auf der Rückseite des vorderen Sitzes ansehen.
Der Flug aus Helsinki dauerte wie immer bis zu mehr als 8 Stunden. Als das Flugzeug aber über dem japanischen Meer war, habe ich auf der Flugkarte bemerkt, dass die Maschine nicht wie immer in Richtung zur nord-westlich von Tokio befindlichen Stadt Niigata fliegt, sondern in Richtung nach Nord-Osten gesteuert wurde.
Tatsächlich flog die Maschine in der Nähe der nord-östlich von Niigata am japanischen Meer liegenden Stadt Sakata vorbei und flog weiter in Richtung zur Stadt Sendai, die sich nördlich von Fukushima am Pazifik befindet.
Sollte die Maschine weiter nach Osten geflogen sein, so hätte die Maschine über das AKW Onagawa fliegen können. Dort sind 3 Siedewasserreaktor. Die Betreiberfirma Tohoku Elektric Power entschied nach der nuklearen Katastrophe im März 2011 die Stilllegung des Blocks Nr. 1 mit einer Leistung von 524 MW, während die weiteren 2 Reaktoren mit einer Leistung von jeweils 825 MW wieder in Betrieb genommen werden sollen. Die japanische Aufsichtsbehörde zur nuklearen Sicherheit NRS bestätigte im November 2019, dass die nach der nuklearen Katastrophe erhöhte Sicherheit des Blocks Nr. 2 dem neuen erhöhten Sicherheitsstandard entspricht. Damit kann die Genehmigung zur Wiederinbetriebnahme nicht mehr verhindert werden. Nach der Betreiberfirma soll der Reaktor im nächsten Jahr 2021 wieder in Betrieb genommen werden.
Das AKW wurde nach dem Erdbeben am 11. März 2011 durch einen höheren Tsunami angegriffen als für den die Anlage ausgelegt war, aber glücklicherweise nicht stark betroffen, da der Standort wesentlich höher über dem Pegelstand des Meers liegt als das AKW in Fukushima. Nur für den Block Nr. 1 wurde die Stromversorgung von außen unterbrochen, und die Notstromaggregate waren dann problemlos in Betrieb.
Dort wurde am 13. März 2011 ein wesentlich erhöhter Strahlenwert gemessen, aber das soll auf die Wasserstoffexplosion im Unfall-AKW zurückzuführen gewesen sein.
Die Maschine steuerte von dort aus nach Süden und flog über der pazifischen Küste in Richtung nach Tokio weiter.
Das hat mich überrascht. Sollte die Maschine weiter nach Süden fliegen, dann fliegt sie genau über das Unfall-AKW Fukushima-daiichi.
Das Wetter war schön, und ich konnte aus den Bildern von der am Flugzeug angebrachten Kameras ungefähr feststellen, was sich da unten befindet.
In der Tat flog die Maschine über das Unfall-AKW und das südlich vom Unfall-AKW liegende andere AKW Fukushima-daini, das nach der Entscheidung der Betreiberfirma Tepco Ende Juli 2019 stillgelegt werden sollte. Dort sind 4 Siedewasserreaktor mit einer Leistung von jeweils 1100 MW.
Beim AKW Fukushima-daini wurden nach dem Erdbeben 2 von den 3 Stromnetzen beschädigt, die das AKW mit dem Strom versorgen, und auch die Notstromaggregate waren durch den Tsunami nicht mehr funktionsfähig. Damit war die Kühlleistung nach dem Herunterfahren der Reaktoren wesentlich eingeschränkt, und das AKW befand sich in einem sehr kritischen Zustand. Aber mit einem Stromnetz und der sofort erbrachten vorläufigen Stromversorgung wurden die Reaktoren am 15. März 2011 wieder unter Kontrolle gebracht.
Der damalige Betriebsleiter sagte später, dass auch bei diesem AKW beinahe dieselbe Katastrophe passiert wäre wie beim Umfall-AKW Fukushima-daiichi.
Das Flugzeug flog weiter über der Küste und erreichte die Stadt Iwaki, die die südlichste Stadt der Präfektur Fukushima ist. Von dort aus flog die Maschine über dem Pazifik weiter. Damit verließ die Maschine die Hauptinsel Japans. Aber sie flog nah an der Hauptinsel weiter nach Süden und kam in die Nähe der Gemeinde Tokai-mura
Die nördlich von Tokio liegende Ortschaft der Präfektur Ibaragi ist der Geburtsort der japanischen Nuklearenergie. 1956 wurde von der japanischen Regierung entschieden, dort ein staatliches Nuklearforschungsinstitut zu bauen. Auch der erste kommerzielle Reaktor in Japan wurde dort 1966 in Betrieb genommen. Der Magnox-Reaktor mit einer Leistung von 166 MW wurde Ende März 1998 endgültig abgeschaltet und befindet sich zur Zeit noch im Rückbau.
Daneben befindet sich noch ein Siedewasserreaktor mit einer Leistung von 1100 MW, der offiziell noch wegen einer Revision abgeschaltet ist. Gleich nach dem Erdbeben am 11. März 2011 ist der Reaktor heruntergefahren worden, und 3 Dieselaggregate sprangen sofort ein, da die Stromversorgung von außen unterbrochen war. Dann kam der 5,4 Meter hohe Tsunami, und eines der Dieselaggregate konnte danach nicht mehr in Betrieb gesetzt werden.
Dort befindet sich eine 6,1 Meter hohe Schutzmauer, die eine schwere Katastrophe verhindern konnte. In der Schutzmauer soll man aber nach dem Tsunami Durchbrüche entdeckt haben, die das Eindringen des Meereswassers aufs AKW-Gelände ermöglicht haben. Falls der Tsunami noch höher gewesen wäre, hätte man auch dort eine nukleare Katastrophe erleben müssen wie in Fukushima.
So vermutet man das heute.
Die Maschine ist sicher und gut auf dem Flughafen Tokio-Narita gelandet. Ich war dort schon einige Dutzende Male angekommen, aber diese Flugroute war für mich ganz neu. Nach meiner Recherche sollen die Einflugrouten auf den Flughafen im Juli 2019 geändert worden sein, um für die olympischen und paralympischen Spiele im Sommer 2020 in Tokio mehr Flüge bewältigen zu können1.
Aber ich bin noch nicht sicher, ob die neue Flugroute damit zu tun hat.
Soweit ich mich erinnere, betrug die Flughöhe zwischen 5.000 und 8.000 Meter, als die Maschine über der pazifischen Küste von Sendai nach Iwaki, und damit auch über das Unfall-AKW flog.
Von der Höhe her muss ich wahrscheinlich dabei keiner dadurch erhöhten Strahlung ausgesetzt worden sein.
Von Sendai bis nach Tokio dauerte die Flugzeit weniger als eine Stunde. In der Zeit flog die Maschine an insgesamt 15 Reaktoren vorbei. Alle Reaktoren dort sind nicht gegen den Absturz von Passagierflugzeugen geschützt wie das für die Reaktoren gilt, die in Deutschland noch in Betrieb sind.
(FUKUMOTO Masao)
Anmerkung:
1 https://www.naa.jp/jp/csr/course.html
https://www.pref.chiba.lg.jp/kuushin/narita/hikoukosu20190718.html
(beide auf Japanisch)
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