Konkurrierende Erinnerungen
für Hiroshima-Nagasaki-Platz
Interview von fukumoto masao am 30.05.2021 für
Memory Lab 2021
Tagung der FU [1]-ZZF [2] 23.-25- Juni 2021 Online [3]
Warum ist hier das Denkmal notwendig?
Es ist hier in Deutschland weniger bekannt, dass Potsdam etwas mit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki zu tun hatte. Auf der anderen Seite glauben viele in Japan, dass die Potsdamer Erklärung vom 26. Juli 1945, die von Japan eine bedingungslose Kapitulation verlangt hat, in der Konferenz der drei alliierten Großmächte in Potsdam beschlossen wurde. Aber das ist total falsch. In der Konferenz wurde nicht über die japanische Kapitulation, sondern nur über die deutsche Nachkriegszeit verhandelt.
Der damalige US-Präsident Harry S. Truman hatte während der Konferenz vom 15. Juli bis 02. August 1945 in der gegenüberstehenden Villa gewohnt. Das Haus nannte man damals „a little white house“, ein kleines weißes Haus. Das bedeutet, dass das US-Machtzentrum in dieser Zeit in Potsdam war. Nicht nur US-Präsident Truman, sondern auch weitere Funktionäre wie der Außenminister Bynes, der Kriegsminister Stimson und der General Marshall waren in Potsdam.
Die vereinigten Staaten haben wahrscheinlich nach der Kapitulation Deutschlands im Laufe des Monats Mai 1945 beschlossen, Atombomben auf japanische Städte abzuwerfen. Dann folgte der erste Atombombentest am 16. Juli 1945 mit einer Plutoniumbombe, als Präsident Truman bereits in Potsdam war. Es war nur offen, wann und gegen welche Städte in Japan Atombomben eingesetzt werden sollten.
Auf die Bitte des für die Atombombenoperationen verantwortlichen Generals Spaatz hat der Generalleutnant und der militärische Leiter im Manhattan-Projekt Groves einen militärischen Befehl entworfen und ihn per Telegramm an Marshall in Potsdam geschickt. Stimson und Marshall haben von Potsdam aus den Entwurf genehmigt. Der militärische Befehl zum Abwurf von Atombomben wurde dann am 25. Juli 1945 in Washington von General Handy unterschrieben und dem für die Operationen zuständigen General Spaatz erteilt. Danach wurden am 06. und 09. August 1945 Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen.
Viele behaupten, dass der US-Präsident Truman für die Atombombenabwürfe den Befehl von Potsdam aus erteilt hat. Hat er das wirklich getan? Aber es gibt dafür kein Beweismaterial. Tatsächlich brauchte man weder einen Befehl noch die Genehmigung des Präsidenten. Er hatte alles dem Militär für die ersten Operationen mit Atombomben überlassen und dabei in Potsdam nur beobachtet, wie es damit läuft. Das könnte man als eine stille oder schweigende Genehmigung des Präsidenten betrachten.
Aus diesen historischen Hintergründen ist die Inschrift des Denkmals entstanden. Zu diesem Thema über den Befehl oder die Genehmigung des Präsidenten wurde deshalb die Inschrift so verfasst:
Am 25. Juli 1945 wurde mit Zustimmung des amerikamischen Präsidenten aus Washington D.C. der militärische Befehl zum Abwurf der Atombomben erteilt.
Das Wort „Zustimmung“ soll als stille Zustimmung interpretiert werden.
In den USA wird immer noch behauptet, dass man mit dem Abwurf der Atombomben viele (amerikanische) Menschen gerettet hat. War es wirklich so? Diese Begründung besagt, dass die USA entschieden haben, wer getötet und wer gerettet werden darf. Dann muss ich mich fragen, wer dann das entscheiden darf. Niemand darf das entscheiden. Aber die USA haben es getan und viele unschuldige zivile Menschen getötet. Sie haben damit das Recht zum Leben von vielen Menschen ignoriert.
Dazu muss ich noch sagen, dass es damals in den USA rassistische Hintergründe gegenüber asiatischen Menschen gab. Hier in Deutschland ist auch wenig bekannt, dass damals Immigranten mit japanischer Abstammung in den USA in Konzentrationslager geschickt und eingesperrt worden sind.
Im Krieg wird immer das Menschenrecht ignoriert und verletzt durch bedingungslose Angriffe auf Bürgerinnen und Bürger wie etwa durch die damaligen Atombombenabwürfe oder bedingungslose Luftangriffe. Dadurch starben viele Menschen, und auch wenn man das überlebt hat, leidet man danach unter schweren Spätfolgen.
So etwas darf nie wieder wiederholt werden. Dafür sind wir und weitere Generationen verantwortlich. Das soll man aus der Geschichte mit den Atombombenabwürfen lernen.
Um uns daran zu mahnen, ist der Platz und das Denkmal als Gedenkort da. Für diesen Zweck bietet der Gedenkort aus den historischen Hintergründen als Mahn- und Gedächtnisort eine ideale Bindungskraft und ein passendes Ensemble außerhalb von Hiroshima und Nagasaki an.
Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass sich das Denkmal als Gedenkort hier vor dem Trumanhaus befindet, sogar mit den damals in Hiroshima und Nagasaki verstrahlten Steinen.
Gab es Kritiken und Widerstände?
Einige Potsdamer Bürgerinnen und Bürger haben das Vorhaben kritisiert, da sie mit der japanischen Geschichte wenig anfangen konnten. Sie haben argumentiert, dass es besser gewesen wäre, wenn sich Potsdam nicht international, sondern eher lokal mehr mit der Folterung während der sowjetischen Besatzung nach dem Krieg beschäftigen würde.
Ein CDU-Bundestagsabgeordneter soll dem Oberbürgermeister von Potsdam einen Beschwerdebrief geschickt haben, mit der Begründung, dass das Vorhaben bilaterale Beziehungen zwischen den USA und Deutschland störe.
Ich glaube, wir haben auch Glück gehabt, da die Konferenz der drei Großmächte nicht in Berlin, sondern in Potsdam stattfand, da man in Berlin für die Konferenz keinen geeigneten Ort finden konnte. Wäre das Trumanhaus in Berlin, dann hätten wir das Vorhaben vor dem Trumanhaus nicht umsetzen können. In Berlin wäre der politische Druck sehr enorm gewesen.
Im Trumanhaus in Potsdam-Babelsberg residiert jetzt die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung. Sie schließt sich der amerikanischen Begründung an, weshalb die Atombomben abgeworfen werden mussten, und hat sich geweigert, mit uns für das Vorhaben zusammenzuarbeiten. Das Haus liegt an der „Karl-Marx-Straße 2“, und der Stiftung gefällt der Straßenname nicht. Sie will lieber die Straße in Truman-Straße umbenennen lassen. Sie wollte uns nur unterstützen, falls die Straße gemäß ihrem Wunsch umbenannt werden könnte.
Der ehemalige Geschäftsführer der amerikanischen Industrie- und Handelskammer zu Berlin hat auch unser Projekt scharf kritisiert und versuchte vergeblich, vor Ort die Einweihungsfeier zu stören. Er hat vor der Einweihung des Denkmals in einer Potsdamer und einer Berliner lokalen Tageszeitung einen Beitrag mit dem Titel „Potsdam hilft Japan bei der Geschichtsklitterung“ veröffentlicht. Er hat dort geschrieben, dass der Gedenkort Japans Kriegsschuld verschweigt.
Ich gebe zu, dass wir uns intern mit der Kriegsschuld Japans ganz wenig auseinandergesetzt haben. Aber für mich ist immer sehr wichtig, dass Japan ein Täterland des Krieges war. Ich bedauere sehr, dass Japan die Kriegsschuld nicht anerkennt und sich bisher gegenüber den asiatischen Ländern für den Krieg nicht offiziell entschuldigt hat.
Ich versuche immer, zu veranlassen, für unsere Veranstaltungen am Gedenkort die Einladung vom Oberbürgermeister von Potsdam nicht nur dem japanischen Botschafter, sondern auch dem amerikanischen und weiteren asiatische Botschaftern wie denen aus China, Korea, usw. zu überreichen. Das ist auch nicht einfach, die Beteiligten davon zu überzeugen. Trotzdem versuche ich es immer wieder.
Warum musste der Platz von Hiroshima-Platz auf Hiroshima-Nagasaki-Platz umbenannt werden?
Am Anfang hieß der Platz Hiroshima-Platz, wie hier im alten Straßenschild gezeigt. Jetzt heißt der Platz Hiroshima-Nagasaki-Platz. Von Anfang an war für mich klar, dass der Platz Hiroshima-Nagasaki-Platz heißen soll. Bis zur Umbenennung dauerte es aber mehr als 5 Jahre.
Die Umbenennung war nicht einfach, da der Name „Hiroshima-Platz“ bereits früher vom Stadtverordnetenhaus von Potsdam beschlossen worden war.
Intern im Verein war es auch nicht einfach, alle von der Umbenennung zu überzeugen. Hier in Europa denkt man, dass das Wort „Hiroshima“ einen symbolischen Charakter für die Abschaffung von Atombomben hat. Ich höre auch in Demonstrationen hier nur „No More Hiroshima“, während man in Japan immer „No More Hiroshima, No More Nagasaki“ ruft.
Hier in Deutschland höre ich oft, dass das Wort „Hiroshima“ ausreicht. Ich kann diese Auffassung aber nicht teilen.
Unsere Veranstaltungen organisieren wir normalerweise weder am 06.08. noch am 09.08., sondern am 25.07, dem Tag des Befehls für die Atombombenabwürfe. Damit wollen wir die einzigen Städte Hiroshima und Nagasaki, auf die die Atombomben abgeworfen wurden, gleich und fair behandeln. Falls wir eine Veranstaltung am 06.08. haben würden, dann sollten wir auch am 09.08. eine Veranstaltung organisieren.
Es ist für die Erinnerungskultur wichtig, dass man sich an die beiden Tage erinnert, die nie vergessen werden dürfen. Aus diesem Grunde musste der Platz Hiroshima-Nagasaki-Platz heißen.
Anmerkugen:
[1] Freie Universität Berlin Public History Master
[2] Leibnitz-Zentrum für Zeithistorische Forschung
[3] Aufzeichung (insgesamt 3:08:09) https://youtu.be/1LU4_plCRbc
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