Vorsicht mit der Heimat!

2018

Kritische Bemerkungen zum Dokumentarfilm „FURUSATO – WUNDE HEIMAT“

Tagebuch eines japanischen Journalisten von fukumoto masao (2018)

Die Stadt Minamisoma liegt an der pazifischen Küste, nördlich des Unfall-AKWs Fukushima Daiichi. Sie ist ei­ne neue Stadt, die vor circa 10 Jahren als ein Verbund von 3 Bezirken (Kashima, Harama­chi und Odaka) entstanden ist. Der ganze südliche Bezirk Odaka liegt vom Unfall-AKW nur 20 km entfernt und gehör­te zuerst zum Sperrgebiet. Er wurde erst im Juli 2016 für die Rückkehr freigegeben, bis auf einige Bereiche im Gebir­ge, in denen die Dekontamina­tion wegen der hohen Strah­lenbelastung schwer machbar ist. Vor der Katastrophe wohn­ten im Bezirk circa 13.000 Einwohner, aber bisher sind nur circa 2.000 Menschen dorthin zurückgekommen.

Jeder Bezirk hat seine eigenen unterschiedlichen historischen Hintergründe, was die Beziehungen zwischen den Einwohnern kompliziert macht. Sie wurden durch die AKW-Katastrophe noch kom­plizierter.

Der Dokumentarfilm „FURU­SATO – WUNDE HEIMAT“ (Regie: Thorsten Trimpop) kommt ab dem 8. März 2018 in deutsche Kinos. Im Film soll es sich um die Menschen im Raum Minamisoma han­deln. Ich freue mich sehr, wenn bekannter gemacht wird, wie man in Fukushima nach der Katastrophe lebt.

Chronik des Erdbebens für die Stadt Minamisoma

Der Film wurde auf dem in­ternationalen Dokumentarfilm­festival Leipzig 2016 als bes­ter deutscher Dokumentarfilm ausgezeichnet und in Berlin auf dem Festival new berlin film award im April 2017 vorgeführt. Am 2. März 2018 ist er auch im fsk-kino in Berlin zu sehen.

Ich hatte Gelegenheit, den Film anzuschauen und stellte dabei sofort fest, dass es in ihm fachlich nicht ganz kor­rekt zugeht. Im allerersten Bild mit der Karte Japans er­höhen sich unten in der Karte Ziffern zuerst langsam und nach dem 11. März 2011 rasend schnell. Aber die Einheit fehlt. Auch bei den Messungen vor Ort fehlt die Zeiteinheit, ob­wohl hierbei von hohen Mikro­sievert-Werten die Rede ist. Ohne diese Bezugsgröße sa­gen die Werte nichts aus.

Das Sperrgebiet

Am Anfang des Films wird erklärt, dass es in Minamiso­ma ein als bewohnbar erklär­tes Gebiet und das bewachte Sperrgebiet gibt, in dem im­mer noch Menschen leben. Der Bezirk Odaka war das Sperrgebiet.

Das zeigt das anfängliche Bild, in dem die Familie Matsumoto mit einer Geneh­migung nach Hause fährt. Die Familie hat ihr Haus im Be­zirk Odaka. Danach wird ein Bauer gezeigt, der im Sperr­gebiet wohnt. Es ist wohl wahr, dass man trotz der Sper­rung dort wohnt. Es ist aber schwer zu ermitteln, wie viele das wirklich tun.

Für Sperrgebiete (als Evakuie­rungszone) wurden die Bedin­gungen mehrmals geändert, aber für die Sperrgebiete spielt nicht nur die 20 Kilometer-Entfernung vom Unfall-AKW, sondern auch der Grenzwert von 20 Millisievert pro Jahr (mSv/a, umgerechnet circa 2,3 Mikrosievert pro Stunde (μSv/h)) eine entscheidende Rolle. Die Gebiete, in denen der Jahres­dosiswert nach der Katastro­phe 20 mSv/a überschritt, wurden zuerst als Sperrgebiete betrachtet. Sind die Behörden der Auffassung, dass der Grenz­wert bald unterschritten wird, wird das Gebiet als „für die Rücksiedlung vorzubereitendes Gebiet“ eingestuft. Dort darf man bis zur Freigabe nicht wohnen, aber man kann zeit­weise mit Genehmigung nach Hause fahren. Landwirtschaft darf auch betrieben werden1. Für die meisten Bereiche in Odaka galt diese Regelung.

Wenn der Jahresdosiswert zu­erst 50 mSv/a überschreitet und der Grenzwert von 20 mSv/a sicher längerfristig überschritten wird, dann wird das Gebiet als „für die Rück­kehr unmöglich“ erklärt. Jetzt sind nur die Sperrgebiete für die Rücksiedlung nicht freige­geben, die für rückkehrun­möglich gehalten werden. Aber auch dort beginnt man bereits mit der Dekontamina­tion, und die japanische Re­gierung will bis 2022 teilwei­se die Rücksiedlung ermögli­chen.

Der Grenzwert von 20 mSv/a gilt normalerweise nur für beruflich Strahlenexponierte, nicht für die Allgemeinbevöl­kerung mit Kindern, Jugendli­chen und Schwangeren. Es ist deshalb sehr kritisch zu sehen, dass dieser Grenzwert als Grundlage für Sperrgebiete angesetzt wurde.

Es ist jedoch im Film sehr schwer festzustellen, in wel­chem Gebiet sich die Protago­nisten wirklich befinden, im bewohnbaren Gebiet oder im Sperrgebiet. Dem Filmema­cher scheint das egal zu sein. Wenn er daran glaubt, dass der normale Strahlenwert 0,001 μSv/h beträgt, wie das auf der Website des Films und im Presseheft geschrieben steht, dann wohnen wir alle im Sperrgebiet. In Berlin, wo ich wohne, liegt die in 1 Meter Abstand vom Erdboden ge­messene Ortdosisleistung bei 0,07 bis 0,1 μSv/h, und der durchschnittliche Wert in Ja­pan beläuft sich heute auf 0,07 μSv/h. Auch bei den Szenen mit dem Kinderstaffellauf ist im deutschen Untertitel vom hoch verstrahlten Sperrgebiet die Rede. Tatsächlich sagt der Aktivist aber, dass man dort im Kontrollbereich sei. Vom Strahlenwert her hat er recht, wenn der Wert tatsächlich bei 0,7 μSv/h liegt. In Japan wird der Kontrollbereich als Be­reich definiert, wo man für 3 Monate einer effektiven Strah­lendosis von über 1,3 mSv ausgesetzt ist, umgerechnet gut 0,6 μSv/h (pro Jahr 5,2 mSv). Wenn man zum Bei­spiel geröntgt wird, dann be­findet man sich im Kontroll­bereich.

Solche Unklarheiten und Un­stimmigkeiten in diesem Film sind irreführend, so dass man als Zuschauer annimmt, dass viele Menschen im Sperrge­biet leben, auch wenn die Pro­tagonisten nicht im Sperrge­biet sind. Am Ende des Films sieht man das Pferderennen „Soma-Umaoi“, das normaler­weise in den beiden Bezirken Haramachi und Odaka statt­findet. In Odaka konnte das Fest erstmals im Juli 2017 wieder veranstaltet werden.

Die Unterscheidung zwischen dem bewohnbaren Gebiet und dem Sperrgebiet ist nicht nur für den Strahlenschutz, son­dern auch für die Gesellschaft wichtig, insbesondere in Mina­misoma, wo es in einer Ge­meinde beide Gebiete gibt. Auch wenn man Nachbar ist und einer ähnlichen Strahlen­belastung ausgesetzt ist, muss man evakuieren und bekommt eine satte Entschädigung, wenn man im Sperrgebiet angemel­det ist. Wenn nicht, bekommt man keine oder eine wesent­lich geringere Entschädigung. Das erzeugt Neid und Miss­gunst und ist damit gesell­schaftlicher Zündstoff.2 Das darf man nicht übersehen.

Nach den mir vorliegenden Strahlenkarten, die von der Bürgermessstelle Minamiso­ma3 fachlich erstellt wur­den, war die Strahlendosis (Ortdosisleistung) im Juni 2011 in den meisten Wohnge­bieten außerhalb des Sperrge­biets Odaka bis zu circa 0,8 μSv/h hoch. Ungefähr die Hälfte der Messwerte lag un­ter 0,5 μSv/h. Aber südwest­lich, im Bezirk Haramachi, an der Grenze zum Bezirk Oda­ka, war der Wert in dieser Zeit bis zu 3,0 μSv/h hoch, obwohl dieses Gebiet zu den bewohn­baren erklärt worden war. Diesen Bereich hätte man als Sperrgebiet betrachten müs­sen. Im April 2017 war der Wert überwiegend (einschließ­lich Odaka) bis auf einige Ausnahmen auf unter 0,15 μSv/h und unter 0,3 μSv/h (im südwestlichen Gebiet am Ge­birge in Odaka) gesunken.

Einigen Protagonisten des Films konnte ich kein Vertrauen schen­ken. Ich dachte, dass bei ihnen irgendetwas nicht stimmt, und fing mit der Recherche an.

Der Experte

Der Aktivist im Film heißt MIURA Bansho. Er tritt nicht nur in diesem Film, sondern auch in anderen Medien auf, wie in der WDR-Reportage „Leben in der Todeszone“. Dort wird er als Held gefeiert. Er versorgt die im Sperrgebiet wohnenden Menschen mit Lebensmitteln und dekonta­miniert die Häuser. Sein Team trägt dabei auffällige Schutz­anzüge und Gesichtsmasken und spült mit Druckwasser den radioaktiv verseuchten Staub vom Hausdach herun­ter. Ich frage mich, was man dann mit dem kontaminierten Wasser macht. Daneben wird Wäsche getrocknet. Wenn der Boden um das Haus nicht ent­sorgt wird, bedeutet das nur, dass die Radioaktivität mit dem Wasser an einen anderen Ort gespült wird.

Auch in diesem Film stellt er sich als Strahlenexperte dar. Er sammelt den schwarzen Staub auf der Straße, der in eine kleine durchsichtige Kunst­stofftüte getan wird. Er legt auf die Tüte ein Messgerät und liest laut die Messwerte ohne Einheit vor. Natürlich sind die Werte hoch. Dabei wird die Tüte mit den schwarzen Partikeln auch ge­wogen – aber wozu? Wenn er die Aktivität messen will, macht das Sinn. Für die Strah­lenmessung im Mikrosievert pro Zeiteinheit braucht man das Gewicht aber nicht.

Miura ist einer der wenigen, die darauf hinwiesen, dass auch Alphastrahler verstreut sind. Das soll er in einer Pres­sekonferenz bewiesen haben, indem er auf eine Kunststoff­tüte mit schwarzen Partikeln ein einfaches Ortsdosisleis­tungsmessgerät legte. Der Al­phastrahler kann aber die Tüte nicht durchdringen, und mit solch einem Gerät kann man die Alphastrahlung nicht mes­sen. Das hätte man wissen müssen. Ich gehe auch davon aus, dass sehr giftige Alpha­strahler verstreut sind, aber dieses Verhalten schadet nur der Glaubwürdigkeit.

Er soll gesagt haben, dass er in den USA studiert hat und den Mastertitel für Strahlung besitzt. Wirklich? Auf seiner Facebook-Seite stellt er sich außerdem als Anti-Atom- und Friedensaktivist, Mönch, Ar­chitekt, Künstler, Musiker, Er­finder und Surfer sowie Grün­der verschiedener Umwelt- und Friedens-Initiativen vor.

Er erhält für seine Aktivitäten Zuwendungen und Spenden, aber oft ist nicht klar, wie und wofür er die Gelder eingesetzt hat. Für seine Aktivitäten in Minamisoma (er wohnte im Bezirk Haramachi) nahm er Zuwendung von der Nippon-Stiftung an. Sie ist jene Stif­tung, die Prof. YAMASHITA Shunichi und die ICRP (Inter­nationale Strahlenschutzkom­mission) unterstützt und zur Verharmlosung der Katastro­phe beiträgt. (Yamashita ist der Wissenschaftler, der betont, dass Strahlenbelastungen bis zu 100 mSv bedeutungslos seien.)

Miura verschwand einige Jah­re nach dem Aufenthalt in Minamisoma. Die Nippon-Stiftung verlangte von ihm die Rückgabe der Zuwendung, da er nicht berichtet habe, wofür sie eingesetzt wurde. Jetzt tauchte er wieder nach einem Engagement als Umweltaktivist im Süden Japans ab.




Die dem Unfall-AKW nahen Ortschaften der Präfektur Fukushima (gezeichnet von TANAKA Yu)

Der Pferdehof

Für den Film spielt der Pfer­dehof Hosokawa eine große Rolle. Der Pferdehof befindet sich nicht in Minamisoma, sondern in dem westlich von Minamisoma liegenden Dorf Iitate. Obwohl die Ortschaft außerhalb der 20 Kilometer um das Unfall-AKW liegt, gehörte Iitate wegen der ho­hen Strahlenbelastung zur Sperrzone, und wurde erst Ende März 2017 für die Rückkehr freigegeben.

Obwohl der Vater HOSOKA­WA Tokuei und seine Tochter Miwa im Film erklären, dass sie für den Hof und die Tier­liebe im Sperrgebiet leben, fällt es im Film auf, dass die Pferde dort nicht gut gepflegt sind. Dort sollen Pferde schnell hintereinander gestorben und die toten Pferde lange im Hof liegen geblieben sein.

Ich kann auch nicht begreifen, warum die junge Tochter im Film ohne Schutzkleid und Maske, mit einem T-Shirt be­kleidet, Unkraut mäht, obwohl die Familie sich um die Ge­sundheit der Tochter sorgt.

Ich kenne einen Bauer aus Ii­tate, der sich energisch nicht nur für die Bauern in Iitate, sondern auch für seine Kühe einsetzt. Seine Ausstrahlung ist ganz anders als die Ho­sokawas. Für seine Kühe wur­de ihm von einem Bauern in der mord-westlich von Fukushima liegenden Präfektur Yamagata ein Hof zur Verfügung ge­stellt, in dem sich sein Sohn jetzt um die Kühe kümmert.

In Minamisoma gab es vor der Katastrophe circa 300 Pferde. Davon sollen circa 30 Pferde überlebt haben. Die meisten Pferde sind durch den Tsuna­mi gestorben. Da die überle­benden Pferde radioaktiv ver­seucht wurden, ordnete das japanische Landwirtschafts­ministerium zuerst die Tötung an. Die Bauern in Minamiso­ma kämpften gemeinsam da­gegen und verhandelten ener­gisch mit dem Ministerium für die Pferde. Ihnen ist es nun gelungen, die Pferde innerhalb von 30 Kilometer um das Un­fall-AKW behalten zu dürfen. Sie sammelten die Pferde an einem Ort in Minamisoma und pflegten sie abwechselnd mit­einander, um sich der radio­aktiven Belastung möglichst wenig auszusetzen. Sie konn­ten auch mit einer Ausnahme­genehmigung die Pferde zur Kur auf die japanische Nord­insel Hokkaido schicken. Sol­che solidarische Zusammenar­beit ist in Japan normal und stärkt so die Bindung mit der Heimat.

Bei Hosokawa fehlen jedoch der liebevolle Umgang mit den Tieren und die Solidarität der Bauern. Weshalb? Für sei­ne Alleingängerei muss es ir­gendwelche Gründe geben.

Der Tepco-Mann

Für mich ist es rätselhaft, was der Regisseur mit dem Tepco-Mann beabsichtigt. Der Mann arbeitete zuerst als Nuklearin­genieur im AKW Fukushima Daini (Nr. 2), das sich südlich vom Unfall-AKW in den Ortschaf­ten Tomioka und Naraha be­findet. Seine Familie wohnte deshalb in Naraha, wo er auch im Film auftritt. Naraha ge­hörte auch zuerst zum Sperr­gebiet und wurde im Septem­ber 2015 für die Rückkehr freigegeben.4 Danach war er in der Sicherheitsabteilung im Hauptsitz der Betreiberfirma Tepco tätig.

Er schildert die Situation in der Leitwarte (Kontrollraum) nach dem 11. März 2011 und lässt die Tränen fließen. Ist das seine Reue? Nein, er äu­ßert sich nur so, als ob er der Pressesprecher von Tepco sei. Er verteidigt die Position von Tepco mit einem Bedauern in der Stimme. Zum Schluß sei­nes Auftrittes isst er kokettie­rend eine rohe Scholle, die im Meer vor dem Unfall-AKW gefangen worden sein soll. Er benimmt sich, als ob er sagen will, dass alles so sehr sicher sei.

Der Mann heißt TATEIWA Kenji. Er erlebte das Erdbeben in der Tokioter U-Bahn mit. Er war zuerst im Tepco-Hauptsitz in Tokio mit der englischen Übersetzung der Pressemitteilungen beschäf­tigt, da er nach der Tätigkeit im AKW Fukushima Daini an der amerikanischen Stanford Universität studiert und dort den Mastertitel erworben hat. Er ist ein Elitemanager der Firma Tepco und mit seiner Sprachkompetenz für die Aus­landsgeschäfte der Firma verantwortlich.

Einige Monate später wurde er in die USA geschickt und war 4 Jahre lang im Tepco-Büro in Washington D.C. tätig. In den USA hatte er die Aufgabe, den Ablauf des AKW-Unfalls und die Maßnahmen danach zu er­örtern und die Position der Tepco und die verbesserte Si­cherheit zu verteidigen. Er hielt über 200 Vorträge in den USA. Nach seiner Rückkehr nach Japan war er für den Rückbau des Unfall-AKWs zuständig und hält nebenbei Vorträge vor Schülern und Studenten in Japan.

Seit Juli 2016 ist er bei der Ja­pan Atomic Power Company (JAPC) als Projektleiter für den Bau zweier neuen Siede­wasserreaktoren in Großbritan­nien tätig. Die Reaktoren werden vom englischen Tochterunter­nehmen des japanischen Kon­zerns Hitachi gebaut, und da­für schloss die Hitachi-Toch­ter einen Kooperationsvertrag mit der JAPC ab, die 1957 durch 9 Hauptstromversor­gungsunternehmen wie Tepco gegründet wurde.

So gesehen ist Tateiwa für Außenstehende das Gesicht der Tepco, sogar der ganzen japani­schen Atomindustrie und spielt nur mit angeblicher Reue.

Das Bauvorhaben ist im Januar 2019 wegen der fehlenden Finanzierung eingestellt worden. Der Hitachi hoffte vergeblich, dass die britische Regierung das Bauvorhaben finanziell unterstützt.

Der Filmtitel

Der Film heißt „FURUSATO“. Furusato bedeutet auf Deutsch „Heimat“, und der Film ist auch mit dem japanischen Schriftzeichen „古里“ getitelt. 古里 ist aber eine nur selten verwendete Bezeichnung, für Furusato wird normalerweise das Schriftzeichen „故郷“ be­nutzt.

Die Bezeichnung 古里 soll erst viel öfter verwendet wor­den sein, nachdem die Präfek­tur Fukushima die nicht rück­kehrwilligen Evakuierten scharf kritisiert hatte. Der in Mina­misoma lebende Journalist SUGITA Kazuto5 sieht da­für eine politische Absicht und vermutet, dass die seltene Schreibweise emotional stär­ker besetzt und politisch ge­gen die nicht Rückkehrwilli­gen gerichtet ist. So wird Druck ausgeübt auf die Eva­kuierten, die aus Angst vor der erhöhten Verstrahlung nicht in die Heimat zurück­siedeln wollen.

Fazit

Was soll das alles?

In diesem Film kann ich we­der eine eindeutige Intention noch Botschaft erkennen. Der Film dokumentiert auch nicht die Lage in Fukushima, da in diesem Film die mangelnden Fachkenntnisse bemerkbar und die tragenden Protagonisten fragwürdig sind. Ich sehe im Film lediglich unbequeme und verstörende6, sogar spekta­kuläre Bilder. Das erzeugt le­diglich eine emotionale Stim­mung.

Ja, die Menschen vor Ort müssen noch langfristig unter den erhöht verstrahlten Um­ständen leben. So wird mit den Menschen dort experi­mentiert. Das dürfte nicht sein und ist sehr ärgerlich. Aber eine nur emotionale Vorge­hensweise ist jetzt ein falscher Weg und hilft niemandem, nachdem 7 Jahre nach der Ka­tastrophe vergangen sind.

Was man jetzt braucht, ist eine sachlich richtige und länger­fristig angelegte Dokumenta­tion über die Lage in Fukushi­ma und eine sachlich richtige Auseinandersetzung mit der Kernenergie.

Die Emotionalität kann ich verstehen, aber der Film trägt so zur Aufklärung und Glaub­würdigkeit nicht bei.

1 Siehe das Kapitel Zurück­kehren oder nicht unter 2015 und die Begriffe im Anhang.

2 Siehe auch den Absatz „Der Neid“ im Kapitel „Die Sehnsucht nach der Heimat“ unter 2017.

3 Siehe den Absatz „Die Stadt Minamisoma“ im Kapitel „Bürgermessstellen in Japan kämpfen um ihre Existenz“

4 Siehe den Absatz „die Kleinstadt Naharaha“ im Kapitel „Zurückkehren oder nicht“ unter 2015.

5 Siehe den Absatz „Ein Wanderjournalist“ im Kapitel „Das Viertel der Alten“ unter 2017.

6 Laut Jurybegründung des in­ternationalen Dokumentarfilmfes­tivals Leipzig 2016.

(Der Beitrag erschien im Strahlentelex Nr. 748-749 / 32. Jahrgang, 1. März 2018, S. 13-15.)

Tagebuch