Tokyo und Fukushima 2020

(Folgen von Fukushima)

Am 07. September 2013 hielt in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires der japanische Premierminister Shinzó Abe eine Bewerbungsrede für die olympischen Spiele 2020 in Tokyo. Dabei sagte er klar und unmißverständlich, dass in Fukushima alles unter Kontrolle sei.

Für viele in Japan war es nicht klar, was man unter „alles unter Kontrolle“ verstehen soll. Damals hatte man gar keine Lösung, das immer weiter zunehmende radioaktiv kontaminierte Wasser kontrolliert unterzubringen.

War das eine Lüge?

Trotz des Zweifels entschied sich die internationale Gemeinschaft für Tokyo im Jahr 2020. In der Stadt Fukushima sollen die Wettkämpfe für Softball (für Frauen) und Baseball (für Männer) ausgetragen werden, die nur 2020 stattfinden werden.

6 Jahre nach der Entscheidung hat man immer noch keine Lösung für das kontaminierte Wasser. Die umstrittenen Eiswände, die eigentlich das Eindringen des Grundwassers ins AKW-Gelände und das Auslaufen des kontaminierten Wassers ins Meer verhindern sollen, funktionieren nicht so richtig wie man erwartet hat.

Man weiss auch nicht, was man mit der immensen Menge radioaktiv hoch kontaminierten Wassers machen soll, das auf dem AKW-Gelände gelagert ist. Auch unter den Reaktorgebäuden sollen noch ca. 18.000 Tonnen hochradioaktives Wasser liegen1.

Außerdem ist es überhaupt nicht menschlich, Wettkämpfe bei der enormen Hitze um 40 Grad Celsius im Freien auszutragen.

Es gibt auch nicht nur in Japan, sondern auch international Kampagnen gegen die olympischen Spiele 2020 in Tokyo, zum Beispiel von der IPPNW2.

Olympia-Mahnwache bei der Demonstration am 11. März 2018 am AKW Neckarwestheim

Trotz allem finden in einem Jahr die olympischen Spiele in Tokyo statt. Die japanische Regierung nennt sie die olympischen Spiele für den Wiederaufbau und will der Welt zeigen, dass es in Japan nach der Katastrophe wieder sicher und alles in Ordnung ist.

Unabhängig davon, welchen Standpunkt man zu Tokyo 2020 hat, finde ich wichtig, zu wissen, wie die Betroffen der Fukushima-Katastrophe die olympischen Spiele 2020 in Japan finden. Bisher war das öffentlich überhaupt nicht bekannt.

Dazu führte neulich der japanische Umweltverband FoE Japan (Friends of the Earth Japan) selbst Interviews bei den in Tokio lebenden Evakuierten aus Fukushima durch. Mit Zustimmung der Interviewten wurden im Netz einige Stimmen dazu veröffentlicht3.

Ich zitiere daraus nachfolgend einige Passagen:

„Ich habe zu den olympischen Spielen keine Vorurteile, aber ich finde es sehr schlimm, da ich nach der Aussage Herrn Abes in Buenos Aires und der Entscheidung für Tokyo die gekippte Stimmung spüre. Wir Evakuierte werden danach immer mehr als die Rückkehrverweigerer betrachtet. Oft nimmt man an, dass man schon ohne weiteres nach Hause rücksiedeln kann.“

„Man sagt, dass die olympischen Spiele für den Wiederaufbau bestimmt sind, aber das ist überhaupt nicht der Fall. Sie sind inhaltlich leer. Die japanische Regierung will der Welt nur zeigen, dass Japan der Wiederaufbau gelungen ist, indem die Evakuierten gezwungen werden, nach Hause zurückzukehren. Ich wünschte, dass die olympischen Spiele für die Evakuierten und Schwächeren freundlich wären.“

„Es ist nur verschwenderisch, mit sehr viel Geld Spielstätten und Unterkünfte für die einmalige Nutzung zu bauen. Mit dem Geld hätte ich gewünscht, für Kinder aus Fukushima Kureinrichtungen zu bauen, in denen sich die Kinder jährlich (ohne Verstrahlung) für einen bestimmten Zeitraum aufhalten können.“

„Die japanische Regierung soll eingestehen, dass es noch verstrahlt ist, und dass es noch gefährlich ist. Die Regierung soll die Wahrheit veröffentlichen und sagen, dass sie alles macht, was sie machen kann. Und sie soll für die Evakuierten ein Unterstützungssystem aufbauen. Wenn möglich, wollen wir in eine neue Gegend umsiedeln, in der die damalige Gesellschaft wieder gemeinsam zusammenleben kann.“

„Ich hätte gewünscht, dass die Steuergelder nicht für die zeitweilige Begeisterung, sondern für die Sicherheit und das Wohlleben vieler Menschen eingesetzt würden.“

„Die Aussage von Herrn Shinzó Abe, dass alles unter Kontrolle ist, war unverantwortlich. Trotzdem gaben sich viele Menschen bisher für den Erfolg der olympischen Spiele große Mühe. Ich will junge Sportlerinnen und Sportler unterstützen.“

„Obwohl ich weiss, dass man japanweit durch die olympischen Spiele ermutigt wird, finde ich es wichtiger und umgehend notwendiger, den noch in den provisorischen Wohneinrichtungen lebenden heimatlosen Menschen zu helfen, wenn ich das neu gebaute Olympiastadion sehe.

Für den Erfolg der olympischen Spiele wurden die Evakuierten (aus der Gesellschaft) ausgeschlossen. Für uns, die Evakuierten, gibt es nichts Ermutigendes. Ich hoffe, dass die Welt die Lage der Selbstevakuierten mitbekommen und die Behandlung der Selbstevakuierten durch die Regierung kritisieren wird.“

„Während des Oberhauswahlkampfes kam der Premierminister Abe nach Fukushima und sagte, ohne den Wiederaufbau Fukushimas sehe er für Japan keine Zukunft.

Meint er es ernst?

Man soll wissen, wie viele Betroffene es im Schatten des Aufrufes zum Wiederaufbau gibt, die jetzt noch jeden Tag den erbärmlichen Alltag führen müssen.

In dem Land, in dem man sich für die kommenden olympischen Spielen begeistert, während man allein erziehende Mütter und soziale Schwächere mit Füßen tritt, erlebt man keinen echten Wiederaufbau.“

Zu diesem Thema, Tokyo 2020, findet auch eine Konferenz „Für ein Olympiade in Tokyo, die die Gefahren von Fukushima nicht verschweigt“ vom 14. bis 15. September 2019 in der Auslandsgesellschaft Dortmund statt. Für die Einzelheiten siehe den Flyer.

(FUKUMOTO Masao)

Anmerkungen:

1 https://www.asahi.com/articles/ASM7W4H1RM7WUTQP019.html?iref=comtop_8_02

2 https://www.ippnw.de/atomenergie/gesundheit/artikel/de/tokyo-2020.html

3 https://foejapan.wordpress.com/2019/07/24/olympic-voices-fukushima/

FUKUSHIMA